I. Allgemeines. Kartographie.Die Förderung der historischen Landeskunde bewegt sich nach wie vor wesentlich auf dem Boden der Einzeluntersuchung. Allgemeine Darlegungen zur Forschungsmethode liegen nicht vor. Zur Geschichte des Kartenwesens ist Beachtenswertes geboten worden. Eine kleine Veröffentlichung Edg. Lehmanns, »Alte deutsche Landkarten« (Leipzig 1935), die sich an weitere Kreise wendet, führt geschickt in das Verständnis der im Druck erschienenen Karten aus der Jugendzeit der Kartographie, vom Ausgang des MA. bis in das 16. Jh. ein, nebst einer Auswahl gut gewählter Beispiele. Einzelne neue Mitteilungen betreffen eine Landtafel des Fürstentums Lüneburg und ihren Verfasser, Joh. Mellinger (O. v. Boehn < 1786>), H. Zells Karte von Preußen vom Jahre 1542 (B. Schumacher < 1762>), sowie neuere Karten der Oberlausitz (G. Henschel < 1800>). Ein bedeutendes Werk, schon vor dem Kriege von M. Hanke begonnen und in mühsamster Sammeltätigkeit gefördert, weiter bearbeitet von H. Degner und mit einem Vorwort und Beiträgen von A. Penck veröffentlicht < 1761>, unternimmt es, die bisher noch wenig bekannte amtliche Tätigkeit in Brandenburg-Preußen auf dem Gebiete der Kartographie klarzustellen. Es handelt sich zunächst um Karten nicht originaler Art, die mit Hilfe der Akademie im Stich herausgebracht worden sind, vornehmlich im 18. Jh. (z. B. der Seeatlas). Dabei fällt manches Licht auf das Landkartenwesen überhaupt, auch Pläne und Leistungen einzelner Kartographen (D. Fr. Sotzmann; Sam. v. Schmettau: Versuch einer Landesvermessung Deutschlands); auch Leonard Eulers Schulatlas, der erste seiner Art, wird behandelt. Noch wichtiger verspricht die Fortsetzung des Werkes zu werden, wobei auf die großen Arbeiten der Militär- und Zivilbehörden zur preußischen Landesvermessung eingegangen werden soll. Inzwischen wird wenigstens eine Teillösung der Aufgabe geboten, indem E. Schwandt die Kartographie der Neumark in jenem Zeitraum behandelt hat < 1765>. Über ein merkwürdiges Sammelwerk von 20 und mehr Folianten in Brünn, mit Bruchstücken auch anderswo, macht W. Kubitschek Mitteilung: ein sog. Atlas Austriacus < 1832>, in dem schätzungsweise 13_000 Karten enthalten sein sollen, dabei ein Bestand, der Beachtung verdient; es wird empfohlen, eine Lösung der im Hinblick auf dies Material auftauchenden Fragen zu erstreben. Die landesgeschichtlichen Atlasunternehmungen haben manchen
erfreulichen Fortschritt erzielt; im einzelnen ist darüber in den landesgeschichtlichen Abschnitten zu berichten.
Einen lehrreichen Überblick über die Entwicklung der Problemstellung und der ausgebildeten Forschungsmethoden
in
S.349 der deutschen Landesgeschichte während des letzten Menschenalters bietet J. Prinz < 1780> an dem Beispiel des Historischen Atlas für Niedersachsen, an dem er selbst (über das Bistum Osnabrück <1934, S. 426>) mitgearbeitet hat. Am meisten setzt sich die Form der landesgeschichtlichen Handatlanten durch, wofür der rheinische, der unter Leitung H. Aubins entstand (1926), das weithin befolgte Vorbild abgibt. Dem »Saar-Atlas« (1934) reiht sich jetzt der »Pfälzische Geschichtsatlas«, herausgegeben von W. Winkler, an < 1821, S. 526>; die Durchführung eines historischen Atlas von Bayern in großem Stil wurde nicht aufgegeben, aber zurückgestellt, um alle Kraft auf die Lösung dieser dringlichen Aufgabe zu wenden. Nach Anlage und Formgebung steht er zwischen dem rheinischen Vorbild und dem Elsaß-Lothringischen Atlas, mit mancher Ergänzung in der Auswahl des Gebotenen. Es ist somit in vergleichsweise kurzer Zeit, im Laufe eines Jahrzehnts, gelungen, für das ganze westliche Grenzgebiet des deutschen Volksbodens, die Rheinlande vom Rheinknie bei Basel bis zum Niederrhein, wissenschaftlich gutbegründete landesgeschichtliche Kartenwerke zu schaffen, die eine Anschauung des geschichtlichen Werdens in vielfältiger Hinsicht vermitteln, Urteilsbildung über politische und kulturgeschichtliche Fragen ermöglichen und Anregung zu weiterem Ausbau der historischen Kartographie geben. In diese Atlasunternehmungen reiht sich nun der »Mitteldeutsche Heimatatlas« ein < 1805, S. 488>, den die Historische Kommission für die Provinz Sachsen herausgibt; auch sie hat sich also für die einfachere Form historisch-kartographischer Darstellung entschieden. Die Leitung steht bei O. Schlüter, der das Unternehmen angeregt und seit langem vorbereitet hat. Bisher liegen nur einige Blätter vor, unter denen die Karte des Landschaftsbildes in frühgeschichtlicher Zeit, von O. Schlüter selbst, und die historisch zuverlässige, mit geographischem Sinn entworfene Gaukarte W. Holtzmanns besonders bemerkenswert sind. Wie sich der neue Begriff »Mitteldeutschland« bei der räumlichen Erfassung Gesamtdeutschlands durch geschichtliche Atlaswerke auswirken wird, muß freilich noch abgewartet werden. -- Zu den mit größeren Maßstäben arbeitenden, den Quellenbestand gründlicher ausschöpfenden Atlasunternehmungen landesgeschichtlicher Art gehört der Atlas für die Provinz Brandenburg. Der Kreiskarte ist rasch die Brandenburgische Ämterkarte im Jahre 1800, bearbeitet von B. Schulze, gefolgt, nebst einem die Statistik bietenden Beiband < 1769 f.>. Die Arbeit hat ganz besondere Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, die sich jeder historischen Darstellung von Grundbesitzverhältnissen im Kartenbild entgegenstellen. Zunächst ist dies nur für die Domänenämter nebst zugehörigen Städten und Besitz der Johanniter geschehen, mit der Möglichkeit der Anwendung flächenhaften, bisweilen streifigen Kolorits, wozu die früher erschienene Karte des kirchlichen Grundbesitzes (Wentz) sowie die Kreiskarte zum Vergleich herangezogen werden können. Auch in dieser Beschränkung hat der sorgsame, unendlich fleißige Verfasser eine höchst anerkennenswerte Leistung vollbracht, die nicht nur für die brandenburgische Landesgeschichte ihren großen Wert hat, sondern auch ihren Platz unter den förderlichen Arbeiten der historischen Kartographie Gesamtdeutschlands mit Ehren einnimmt.Eine der viel umstrittenen Vorfragen für den Aufbau deutscher
historischer Kartographie betrifft die Gemeindegrenzen. Es ist deshalb verdienstlich, daß W. Koch
<
1753>, ein Schüler Fr. Curschmanns, dies Problem einmal ganz
gründlich in breit angelegter Untersuchung angefaßt hat. Vorerst geht er auf die Frage
S.350 nach der Beständigkeit der Gemeindegrenzen ein. Aus einem räumlich wie sachlich ganz umfassenden Quellenstoff wird die Grenzbildung erörtert, im Hinblick auf die natürlichen und geschichtlichen Momente, die sie bestimmen: die Art und Form der Grenzen, ihre Entstehung sowie ihre Wandlungen durch wirtschaftlichsoziale, rechtliche und politische Kräfte, insbesondere die Anlegung neuer Siedlungen und die Forstpolitik, bis auf die Gemeinheitsteilungen und Grundstückszusammenlegungen des 19. Jh.'s sowie die jüngste Gemeindegesetzgebung. Das Netz der Gemeinde- (Gemarkungs-) grenzen ist demnach bei der Bearbeitung historischer Karten bedingt verwertbar, bei rückwärtsschreitender Forschungsmethode, indem die Grenzveränderungen jeweils beachtet und die daraus sich ergebenden Fehlerquellen beseitigt werden. K. macht den Vorschlag, eine Hilfskarte herzustellen, in der die Gemeindegrenzen vor den neueren Veränderungen eingetragen werden, auf blaßgrau untergedruckter Generalstabskarte 1:100_000 mit Geländebild und eingezeichneten Waldflächen und Siedlungen. Die Ausführung dürfte nicht einfach sein, wenigstens in manchen Landschaften, und auch Kosten verursachen; doch verdient dieser Gedanke sorgsame Erwägung im Kreise der landesgeschichtlichen Kommissionen und Institute. -- |
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