III. Siedlungsgeschichte.Unter den andauernd
zahlreichen Einzeluntersuchungen zur deutschen Siedlungsgeschichte liegen diesmal vergleichsweise viele für den
Westen und Süden Deutschlands und seiner Nachbargebiete vor, eine erfreuliche Wendung der Forschung, die damit in
gesteigertem Bemühen an die Lösung der schwierigen Fragen herantritt, die zu einer Klärung des
altgermanischen Siedlungswesens auf deutschem Boden führen. In grundsätzlicher Problemstellung erörtert
A. Hömberg die Entstehung der westdeutschen Flurformen <
1755>, mit betonter Stellungnahme gegen Anschauungen, wie sie A. Meitzen
vertreten hat. Die Schrift ist aus einem Vortrag für ein Universitätsseminar (für historische Geographie
in Berlin) hervorgegangen; sie war gewiß geeignet für ihren Zweck, zeigt mannigfaltige Kenntnisse,
anerkennenswertes Streben nach begrifflicher Klarheit und gute Beobachtungsfähigkeit. Indes ist allzuviel in dem
einführenden Vorwort W. Vogels gesagt, daß sie beitragen möchte, »der Forschung eine neue
Ausgangsstellung« zu geben. Eine »Überprüfung« der auf Meitzen zurückgehenden Ansichten
ist wirklich seit langem in Gang, von G. Knapp und
S.352 A. Dopsch, auch Fr. Steinbach abgesehen, in einer Fülle sorgfältig aus den Quellen arbeitender Einzeluntersuchungen, die eine neue Grundlage der Urteilsbildung schaffen. Die Forderung, das Moment der Entwicklung der Flur, also die Flurgeschichte, gebührend zu beachten, ist richtig; bei Ermittlung von Tatsachen der Verbreitung der Flurformen nach geographischer Methode wird leider oft genug darüber allzu rasch hinweggegangen und eine nur formalistische Betrachtungsweise angewandt. Indes Historiker sind schon mit großem Bemühen solchen schwierigen, nur in ungewöhnlichen Fällen recht glückenden Studien nachgegangen; grundsätzlich hat selbst Meitzen die geschichtliche Wandelbarkeit der Flurverhältnisse anerkannt, unter Wahrung des zugrunde liegenden Flurtyps. Die von H. vorgenommene Scheidung von Blockgemengflur, Streifenflur (ein freilich vieldeutiger Ausdruck, gemeint sind die sog. Eschfluren) und eigentlicher Gewannflur ist anzuerkennen, wobei darauf hingewiesen werden darf, daß für den Osten schon entsprechende Beobachtungen gemacht worden sind (Gemengstreifenflur, Blockgewanne). Am fruchtbarsten sind m. E. die Bemerkungen über das in enger Wechselwirkung befindliche Verhältnis zwischen Erbrecht und Siedelform; hier liegen Möglichkeiten für neue Aufschlüsse zur historisch forschenden Siedlungskunde vor. Neuartig, jedoch nicht ohne weiteres überzeugend ist H.s Theorie der Entstehung der Gewanne. Er bezeichnet sie als »Teile der Schläge oder Felder der Dreifelderwirtschaft« und erklärt sie als keine primäre Einteilung, wie Meitzen es will, sondern als Folgeerscheinung der Einführung des Flurzwangs, mit dem Zweck einer Regelung des Betriebs auf der Flur, nicht schon einer ursprünglichen Ordnung der Besitzverhältnisse. Ein selbständig ausgeführtes Beispiel der Untersuchung bietet H. für das Hoch-Sauerland (Bödefeld und Altenfeld, 1830; Rekonstruktion für 1475). -- Von allgemeiner Tragweite, obwohl zunächst vornehmlich auf Ermittlung aus den fränkischen Landen gestützt, sind Ad. Weltes Ausführungen über die Bedeutung der Ortsgemarkungen für die Siedlungsgeographie < 1757>; er will zeigen, wie ihre Formen und Abgrenzungen zu siedlungsgeschichtlichen Aufschlüssen zu benützen sind. Mit Recht werden die klaren und natürlichen, in ausgeglichenen ungestörten Linien verlaufenden Abgrenzungen den unregelmäßigen Formen mit Ein- und Ausbuchtungen gegenübergestellt. Jene werden als Kennzeichen der alten Gemarkungen angesehen; die Unregelmäßigkeit spricht, wie W. meint, für grundherrliche Anlage und für junge, planlose Rodung in den Wald hinein. Diese Erklärung, wenn sie für Franken stimmt, dürfte jedenfalls nicht verallgemeinert werden. W. geht sodann auf die Gemarkungsteilungen ein und greift mit Ausscheidung der in der Ausbauzeit entstehenden Tochtersiedlungen auf die Urmarken zurück. Die Ortsgemarkungen sind ihm, dem Geographen, Zellen des ganzen Siedlungswesens als Flächengrundlage für die ursprünglichste wirtschaftliche Tätigkeit aller unserer Siedlungsgemeinschaften.Bei den siedlungsgeschichtlichen Arbeiten für einzelne Räume
pflegt ein bestimmtes Verfahren eingehalten zu werden, das als zweckmäßig gelten darf: einer geographischen
Schilderung des untersuchten Bereichs folgt ein Überblick über den historischen Gang der Besiedlung, oft seit
vorgeschichtlichen Zeiten, sodann eine Beschreibung des Landschafts- und Siedlungsbildes mit Eingehen auf die Ortsformen
und ihre Verbreitung, günstigenfalls auch auf die Flurverhältnisse sowie mit Ausführungen über die
jüngsten wirtschaftlichen Wandlungen und ihren Einfluß auf das Siedlungsbild. Soweit eine erschienene Arbeit
in diesen
S.353 Bahnen verläuft, bedarf es nicht stetig wiederholender Inhaltsangabe; nur der besondere Ertrag möge hervorgehoben sein. Ed. Sämer handelt über die ländlichen Siedlungen des westlichen Sauerlandes < 1812>, dessen historischer Begriff zu einem geographischen geworden ist; bemerkt sei, daß die geschlossenen Anlagen, auch dörfliche, im ältesten Siedlungsgebiet gefunden werden, der Weiler als Grundtyp der Siedlungen erscheint, die Einzelhöfe aber meist auf einstigem Waldboden auftreten. Dem Gebiet an der Volme und unteren Lenne gilt auch eine gründliche Einzelstudie P. D. Frommanns (Westfalenland, 1935, 12), die einer vertieften rechts- und sozialgeschichtlichen Auffassung zustrebt; über die Wirkungen der fränkischen »Militärkolonisation«, die Lage der Reichshöfe und ringsum der »Freigüter«, der Adelssitze und Sitze ritterlicher Geschlechter mit ihren Gütern, auch über die Kirchen- und Klostergüter werden lehrreiche Mitteilungen nebst Kartenskizzen geboten. Sorgsam und vielseitig ist K. Horstmanns Untersuchung über die Entwicklung von Landschaft und Siedlung in der Umgebung Mindens < 1813>. Die Behandlung der Marken führt auf die Geschichte des Waldbestands, seine Verbreitung und Arten im Zeitenwechsel und das Verhältnis zur Heide. Als früheste bäuerliche Flurart wird auch hier die »Eschflur« (in kuppigem Gelände) angenommen. Die neugewonnenen Äcker zeigen sodann Übergang zu blockartiger Kampflur, wie sie bei der mittelalterlichen Felderweiterung angewandt wurde; die jüngste Flurform ist die der Gewanne. Die Kothöfe entstanden einzeln von den alten Dörfern aus, oft als Siedlungszuwachs der mittelalterlichen Rodung. Aufschlußreich ist die Behandlung des Wüstungsproblems: größere Dörfer haben sich durch Zusammensiedlung aus kleineren gebildet, durch Zusammenlegung der Fluren entstand eine Art Gewannflur. Drei Einzelbeispiele werden ausgeführt, am wichtigsten das große Dorf Wietersheim mit Gut (Breiten!) und zwei Wüstungen in der Gemarkung. -- Neue Wege beschreitet die anregende, in ihrer Art wohlgelungene Schrift: »Die Heidedörfer Moide« (ö. Soltau) und Suroide. Gemeinschaftsarbeit des Geographisches Instituts der Universität Kiel« (1935). Vornehmlich der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit zugewandt, will sie den Lebensraum und die Lebensformen einer bäuerlichen Gemeinde verstehen lehren; den geschichtlichen Fragen wird Beachtung geschenkt, doch wäre über den Werdegang des Siedlungsbereichs der Höfegruppen wohl noch Bestimmteres zu sagen. -- Von ungewöhnlicher Bedeutung ist ein Aufsatz, den W. Carstens »Zur Geschichte des Adels und des adligen Gutes in Holstein im Mittelalter« verfaßt hat < 1523, S. 467> nicht eigentlich in siedlungsgeschichtlicher Art (in dieser Hinsicht möchten die Ergebnisse noch ausgebaut und ausgewertet werden), aber höchst wichtig wegen der Darlegungen über die Standesverhältnisse (»hoveman« und »husman«) und die Grundbesitzarten (Höfe und Hufen), worauf jene beruhen; denn die altsächsischen Zustände haben sich in Holstein greifbar erhalten. Im Vergleich dazu wird die Kolonisation in Ostholstein mit ihren rechtlichen und sozialen Folgewirkungen gestellt. Über die Siedlungsformen der westschleswigschen Geest bringt J. Ulr. Folkers (Nordelbingen IX, 3) neue Erläuterungen nach alten Karten vor der Verkoppelung, indem er mehrere Beispiele bespricht: ein großes rundliches Platz-(Anger-, forta-)dorf mit 16 Bauernstellen (Bohlsleute, Staven-, auch Schwadenbesitzer), ein Zeilendorf, ein Dorf von marschhufenmäßigem Typ. Zur Rundlingsfrage äußert er sich, daß die ersten deutschen Kolonisten im Wendenland noch regelrechte Runddörfer bauten; doch die Masse der ostelbischen Rundlinge schreibt er älteren Zeiten zu.S.354 Es fallen Bemerkungen gegen das germanische lockere Haufendorf Meitzens, ebenso, m. E. nicht durchaus überzeugend, gegen die Umwandlung der Flurverhältnisse durch Sonnenteilung (solskift), wie sie Lauridsen auffaßt. -- In die Zusammenhänge zwischen Siedlung auf dem Boden Alt-Sachsens und dem Bereich kolonialen Neulands bringen zwei kleinere Arbeiten erwünschtes Licht. W. Biereye < 1774> weist ritterliche Geschlechter in der Nachbarschaft Stades nach -- die Herren von Jork-Schnakenburg, von Lühe, die Düring mit Stammsitz im Kirchspiel Loxstedt u. a. --, die zwischen 1200 und 1250 nach Mecklenburg und Pommern gegangen sind und dort kolonisiert haben. Anlaß zur Abwanderung boten wirtschaftlich-soziale Wandlungen als Folge der Holländersiedlung und der Entstehung großer Dorfgemeinschaften, die die sächsischen Einzelsiedlungen aufnahmen, auch in den Deichverband, und die Stellung des ritterlichen Adels herabdrückten. K. Boie < 1791> geht den Vorgängen einer Besiedlung Fehmarns von Dithmarschen aus nach, in Untersuchung der Rassenmerkmale und Namen. Ganze Geschlechter sind dahin nicht ausgewandert; die Bedeutung des Geschlechts, in der Heimat ein Treuverband mit starker Wehrkraft, war geschwächt, da der Landesherr auf Fehmarn für Sicherheit sorgte. Aber das Recht der Geschlechter war Vorbild für die dortigen Vetternschaften; auch auf die Herkunft von Hausmarken und Familienwappen wird eingegangen.Aus den mittleren deutschen
Landen zwischen Rhein und Saale liegt diesmal nur weniges vor. K. Scharlau erörtert Stand
und Aufgaben der Wüstungsforschung, besonders im Blick auf das Hessenland <
1756>. Erfreulich ist der Plan, nun auch in Franken daran zu gehen, ein
geschichtliches Ortsnamenbuch zu schaffen; B. Schmeidler <
522> berichtet über die einleitenden Schritte und legt die
Grundsätze dar, die dafür gelten sollen, so in bezug auf die Aufnahme von Wüstungen und Flurnamen sowie
die Literaturnachweise; auf Erklärung der Namen soll nicht grundsätzlich verzichtet werden. -- Aus
Bayern sind zwei ähnlich angelegte Arbeiten zu nennen: W. Schreyer über die
Entwicklung der altbairischen Kulturlandschaft im Hügelland zwischen Amper und Donau <
1826> und H. Fehn, das Siedlungsbild des niederbairischen
Tertiärhügellandes zwischen Isar und Inn <
1828>. Beide Arbeiten, unter geographischem Gesichtspunkt geschrieben,
weisen eine umfassende Problemstellung auf. Die Schilderung der Siedelformen ist lebendig und anschaulich, zumal da
neben dem Grundriß der Ortschaften auch ihr Aufriß berücksichtigt wird: Einzelhof, Weiler und
Bauerndorf, kleinbäuerliche Siedlungen, das Herrschaftsdorf mit der Hofmark, Pfarr- und Klosterdorf, Wallfahrtsort,
gewerbliche Kleinsiedlungen, Märkte und Städte werden bildhaft gekennzeichnet, nach ihrer Größe,
ihrem Äußeren und ihrer Lebensgrundlage. Als Flurtypen erscheinen die Weilerflur (mit blockförmigen
Stücken im Gemenge), die Gewannflur (bei Dörfern im ältesten Siedlungsbereich, doch noch bei den
frühesten Ausbausiedlungen), die Einödflur, auch Fluren von Waldhufenart, was bisher nicht bekannt war, wobei
bemerkt sei, daß die Hauptrodung um 1000 angesetzt wird. Anerkennenswert ist, namentlich bei Fehn, das Eingehen
auf wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Momente; auch zur Volkskunde werden Beobachtungen (über Hausbauformen u.
a.) beigesteuert. -- Ein siedlungsgeschichtlicher Beitrag aus der Schweiz, gedacht als Versuch einer Heimatkunde, ist P.
Ißlers Geschichte der Walserkolonie Rheinwald in Graubünden <
1839, S. 606>. Die Ansiedlung geschah nach Zuwanderung aus dem oberen
Wallis in der zweiten Hälfte des 13. Jh.'s, meist in der Form der Hofsiedlung, bei
S.355 vorherrschender Vieh- und Weidewirtschaft, selten in dörflicher Verdichtung. Über die Ausbreitung der Siedlung bis Davos, die Schutzherrschaft, die Ordnung in der Gerichtsgemeinde, auch über Verkehrsverhältnisse mit den Rodfuhren werden brauchbare Mitteilungen gebracht.Wenden wir uns dem
deutschen Osten zu, so ist zunächst ein Aufsatz von E. Schwarz hervorzuheben <
1829>, der in Ausführungen über die bairische und
ostfränkische Ostsiedlung die Ergebnisse seiner eindringenden Forschungen zusammenfaßt und ergänzt. Er
schildert, mit bemerkenswerten Zeitansätzen, den Ausbau der bairischen Ostmark, das Vorstoßen nach
Böhmen und Mähren, in Westböhmen die Auseinandersetzung mit der ostfränkischen Siedlung, die sich
seit dem 10. Jh. vorgeschoben hat, die eingetretene Mischung und die Verbreitung nach Nordböhmen und Schlesien, mit
den Auswirkungen in der Mundart: Entstehen einer Staffellandschaft. Besondere Mitteilungen hat Schwarz
auch über siedlungsgeschichtliche Beziehungen zwischen der bairischen Kolonisation in der Slowakei und dem
Burgenland gemacht (Burgenldsch. Heimatbl. 4, S. 151 ff.). Die Siedelformen des Burgenlandes behandelt K.
Ulbrich <
1849> nach dem Vorbild A. Klaars, so daß erfreulicherweise ein
Anschluß an die nordostdeutsche Bildung der Grundbegriffe für die Siedeltypen erreicht wird, natürlich
mit Kennzeichnung landschaftlicher Besonderheiten. Die Grundlage für diese Studien (josefinische Landesaufnahme;
Katasterpläne 1 : 2880) ist ungewöhnlich gut. Die Verbreitung der Formen wird für 340 Orte im
nördlichen, mittleren und südlichen Burgenland beschrieben und erläutert, mit Beigabe von 3
Kartenskizzen. -- Für den nordöstlichen Bereich des mittelalterlichen deutschen Siedelwerks unternimmt es V.
Seidel <
1793>, von Schlesien ausgehend, den »deutschen Ostzug« in
neuem Lichte zu zeigen. Das von ihm entworfene Bild weicht von dem bisher unter deutschen Forschern geltenden nicht so
sehr ab. Er betont, richtig für die westlichere Zone, auch Mecklenburg, daß Militärkolonisation der
Bauernsiedlung vorausgegangen sei; gut ist die Bemerkung, daß sich im Schutze der Militärkolonien im
Hinterland eine neue Arbeitsfront des deutschen Bauern hat bilden können. S. spricht sich erneut dafür aus,
die deutsche Besiedlung zumal Schlesiens erst für das 13. Jh. gelten zu lassen. Wenn der Ausdruck
»Gründerzeit deutscher Städte und Dörfer« eine bestimmte, schon reifere Art kolonisatorischen
Vorgehens bezeichnen soll, kann dem zugestimmt werden; Anfänge deutscher Niederlassung aber sind, gerade bei
geschärfter Urkundenkritik, schon früher erkennbar. Die Angabe der östlichen deutschen Volkstumsgrenze im
12. Jh. (S. 261) bedarf mancher Berichtigung, mindestens auch einer Kennzeichnung der Vorposten. -- Mit besonderem Eifer
ist die Siedlungsgeschichte Schlesiens gefördert worden <
1794>. H. Aubin nimmt zu den Ergebnissen
sprachgeschichtlicher Untersuchung in den neueren Schriften von Th. Frings und E. Schwarz Stellung und ordnet sie in
allgemeine Zusammenhänge schlesischer Siedlungsgeschichte beiderseits der Sudeten ein. In lehrreicher
Übersicht stellt W. Czajka die Entwicklung Nordschlesiens von der Urlandschaft zur Kulturlandschaft
dar. Ausführlich geht er auf die slawische Zeit ein; er bestätigt deren Siedlung in kleinen Wohnplätzen,
erklärt die Bezeichnung »Wegedorf« für einen auftretenden Ortschaftstyp als berechtigt und
schildert die Flurverfassung nach Dziedzinen, das Wachstum der Sippensiedlung. Eine gründliche Behandlung
erfährt das deutsche Siedelwerk des MA. Nach seinem Abschluß bestanden drei Arten von Siedellandschaft, je
nach dem Besiedlungsgang. Es folgte die gutsherrschaftliche
S.356 Zeit mit einer gering rückläufigen Bewegung, in jüngeren Jahrhunderten die Anlegung der Koloniedörfer, der Dorfausbau, die Industriesiedlung. Einen Landschaftsausschnitt am Nordrand Schlesiens behandelt M. Laubert (um Namslau und Fraustadt), wo seit dem MA. ein klassisches Großgütergebiet entstanden ist, die Habsburgische Religionspolitik sich volkspolitisch verhängnisvoll auswirkte, später aber wieder eine Auffüllung eintrat, mit Zuwachs des wirtschaftlich anspruchsloseren Polentums. In jüngster Zeit hat sich hier das Deutschtum beiderseits der Grenzen verstärkt. Die Aufgliederung des schlesischen Raumes in Kulturlandschaften (neun) in mittelalterlicher Zeit zeigt Jos. Klapper, im Hinblick auf Kirche und geistiges Leben, doch auch mit Berücksichtigung der Siedlungszustände < 1794>. Eine recht gute Einzelstudie zur oberschlesischen Siedlungsgeschichte ist die Arbeit Bednaras über Piltsch im Kreise Leobschütz < 1797>, mit weiträumigem Ausblick und wertvollen Feststellungen über die Wanderzüge nach dem Osten und ihre Kreuzungen. -- Aus Mecklenburg liegt eine gründliche siedlungsgeographische Arbeit F. Engels über die Dobbertiner Kulturlandschaft vor < 1773>, wobei auf die Zustände in slawischer Zeit und die Kulturleistungen der Deutschen auf dem Boden Mecklenburgs näher eingegangen wird. Übergang der Siedlung aus germanischer in slawische Hand wird nicht angenommen. Die Wendenbevölkerung saß dicht beisammen (7 auf qkm); ihre Rodetätigkeit war nicht gering, allerdings auf Kiefernwald beschränkt. Verödung auf Sandböden trat ein; die Angerdörfer sind Neugründungen der deutschen Kolonisation. Als Flurformen werden geschieden: regellose, erstarrte Gewannflur (also Blockgewanne!), genossenschaftliche Streifen und Hagenflur. Einen allgemein wichtigen Gedanken führt H. Spangenberg durch, indem er die Bedeutung der Stadtsiedlung für die Germanisierung der ehemals slawisch bewohnten Gebiete des Deutschen Reiches, mit besonderer Berücksichtigung Mecklenburgs, heraushebt < 1759>. Er wendet sich gegen Jegorows Behauptung eines vorkolonialen Ursprungs der Stadt, schildert die Entstehung des mecklenburgischen Städtewesens und erweist den deutschen Charakter der Bürgerschaften an den Namen und Herkunftsbezeichnungen, wenngleich es im Bereich der Gesamtsiedlung slawische Elemente gab. Die innerhalb der Bannmeile gelegenen Dörfer erfuhren rasch den kulturell germanisierenden Einfluß der Stadt. Mit gutem Fug wird die Leistung der deutschen Stadt, ihre Unentbehrlichkeit auch für die bäuerliche Kolonisation in dem Kulturwandel des Ostens betont, obschon daran festzuhalten ist, daß nur das gleichgerichtete Zusammenwirken von Bauerntum, Adel und Stadt das große Werk vollbracht hat.Eine neue
Beleuchtung erfährt das Siedelwerk Friedrichs des Großen in einer landwirtschaftswissenschaftlichen Arbeit G.
Arndts <1933/34,
2623>. Nach einer Besprechung der Kritik der Kameralisten am damaligen
Zustande der Agrarverfassung und ihrer Besserungsvorschläge werden die Grundsätze der friderizianischen
Siedlungspolitik, die Verwaltungseinrichtungen und die Maßnahmen beim Ansiedlungsverfahren besprochen. Lehrreich
sind die Mitteilungen über die Landbeschaffung, vornehmlich auf noch nicht kultivierten Böden, über die
Größenbemessung der Siedlerstellen, ihre Ausstattung mit Baulichkeiten und Inventar und die wirtschaftliche
Lage des Siedlers, dem es aufgegeben war, möglichst aus eigener Kraft voranzukommen. Hauptziel war die
Förderung eines starken und gesunden Bauernstandes für den Staat. Über Friedrichs Siedlungspolitik im
Kreise Kottbus vgl. die ausführliche Studie H. Kublicks <
1768>. -- Die Veröffentlichung
S.357 der Siedlerverzeichnisse bei der großen Südostkolonisation in den habsburgischen Landen wird fortgesetzt < 1848>.Neue fruchtbare Ansätze zeigen sich in der Geschichte der Stadtsiedlung. Auf die Arbeiten zur historischen Topographie einzelner Städte kann hier nicht eingegangen werden (Köln < 1816>, Straßburg < 1824> u. a.). Ein wichtiges Thema schlägt eine Untersuchung an, die Kath. Reimann der Territorialbildung deutscher Reichs- und Freistädte widmet < 1754>. Es gilt das Werden des Stadtstaats als eine neue Erscheinung in der deutschen Geschichte, im Vergleich mit der antiken Polis und der italienischen Stadt zu würdigen. Die Bildung der Stadtterritorien vollzieht sich, so wird dargelegt, vorerst durch Erwerb außerstädtischen Gebiets des Stadtherrn, während die Stadt sich zur Autonomie aufringt, weiterhin durch Erwerb außerstädtischen landesherrlichen Gebiets für die bereits autonom gewordene Stadt. Als Hauptbeispiele dienen Aachen und Ulm in durchgeführtem Vergleich. -- Einige verdienstliche Arbeiten sind auf die Städte bestimmter Landschaften eingestellt. So bietet Maria Lukas eine vergleichende Geographie der Städte im Breisgau < 1822>, wobei die rechtshistorische Fassung des Stadtbegriffs als einzig konstante Form zugrunde gelegt wird. Ausführlich wird auf die geographischen Vorbedingungen der Entwicklung des dortigen Städtewesens, auf die Siedlungsgeschichte und die Wirtschaftszustände in der Landschaft eingegangen, um danach die Entstehung der Städte und des Stadtrechts, ihre Anlage und Form, die städtischen Baulichkeiten, auch die Art und Nutzung der Gemarkungen, überhaupt die Ausstattung des Stadtgebiets als eines Markt-, Wehr- und Gerichtsbezirks in ihren Besonderheiten zu schildern. Im Vergleich zu Schwaben, nach den Feststellungen Gradmanns, ergeben sich manche Abweichungen. Mit der Entstehung der altbayerischen Stadt, in einem städtearmen Gebiet, befaßt sich ein Aufsatz A. Elsens < 1827>. Eine geopolitische Betrachtung hat die gewiß dazu lockende alte Reichsstadt Goslar mit weitverzweigten Beziehungen dank ihrem bewährten Bergbau durch R. Wagner gefunden < 1784>. -- Von allgemeiner Bedeutung sind die Betrachtungen H. Werners über das bastionäre Befestigungssystem und seine Einwirkung auf den Grundriß der deutschen Städte < 1752>. Nach einer Übersicht über die mittelalterliche Befestigungsweise vor Einführung der Schußwaffen legt W. die Entstehung des Systems mit Bastionen dar und betont, daß in Deutschland meist nicht nach Vaubanschen Manieren, vielmehr nach italienischen und vor allem niederländischen Grundsätzen gebaut wurde. Sodann werden die Wirkungen besprochen, die dies System auf den Grundriß der Städte (Ringstraßen), auf Torwege, Wall-, Glacis-, Graben- und Bollwerkstraßen, überhaupt auf den Städtebau außerhalb und innerhalb des Befestigungsgürtels ausgeübt hat. Vornehmlich an etwa zehn großen Städten wird dies beispielsweise dargetan; ein reicher Figurenanhang ist beigegeben. Ein ungewöhnliches Buch, das selbständig neue Wege sucht und neue Forschungswege ausprobt,
scharfsinnig und gedankenreich, allerdings nicht ohne Schwierigkeit auf die eigentlich historische Forschung anwendbar,
hat W. Christaller dargeboten: Die zentralen Orte in Süddeutschland (Jena, Fischer 1933). Ein
erster Abschnitt, in dem die ökonomisch-theoretischen Grundlagen der Stadtgeographie behandelt werden, wird
vorausgeschickt. In begrifflicher Erörterung wird »zentral« als Ordnungsprinzip (zentrale Orte,
Güter, Dienste), danach die »Reichweite« der zentralen Momente eingeführt. Unter solchem
Gesichtspunkt sollen
S.358 die Verschiedenheiten im Verbrauch der zentralen Güter, Volksdichte, Struktur und Verteilung der Bevölkerung, das von der Zentrale erreichbare Gebiet, der Verkehr nach Statik und Dynamik untersucht und auf den Grad der Zentralität bestimmt werden. Der zweite Teil bringt die Anwendung der Theorie auf die siedlungsgeographische Wirklichkeit. Zunächst werden wieder methodische Erwägungen angestellt, Typen der zentralen und hilfszentralen Orte beschrieben (H: Hauptstadt, M: Markt, A: Ort mit Amtsgericht, K: Kreisamtsbezirk, G: Gaubezirk, P: Provinz, L: Land, R: Reich). Im dritten regionalen Teil folgt endlich die Durchführung für einzelne Städte: Nürnberg, Stuttgart, Straßburg, Frankfurt a. M. Der Schluß stellt das methodische Ergebnis für die Siedlungsgeographie heraus. Zur Verdeutlichung dient eine Kartenbeigabe mit guter, einprägsamer Übersicht. Die gehaltreiche Schrift zielt unmittelbar darauf, mit neuen Gedanken und Beobachtungsweisen eine allgemein-ökonomische Theorie begründen zu helfen; aber auch der historischen Geographie vermag sie mit ihrer Problemstellung und Begriffsbildung bedeutsame Anregungen zu geben. |
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