IV. Landesgeschichte in zeitlicher Folge.Das
bedeutsamste territoriale Gebilde des deutschen Südwestens im früheren MA., den »Staat der
Zähringer«, behandelt Th. Mayer <
1560> unter dem neuen Gesichtspunkt des Übergangs vom alten
deutschen, wesentlich auf den persönlichen Verband begründeten Staat zum modernen, der als
»institutioneller Flächenstaat« gekennzeichnet wird. Eine scharfe juristische Distinktion tritt also an
Stelle der üblichen Anschauung von dem allmählichen Aufbau und Zusammenwachsen der Elemente der späteren
Landeshoheit. Die Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte werden diesen hier nur anzudeutenden Gedanken weiter zu
verfolgen und auch den Zusammenhängen der Rodungspolitik und des Fernstraßensystems mit den neuen
staatsbildenden Tendenzen eine breitere Grundlage zu geben haben, als dies im engen Rahmen einer Universitätsrede
geschehen konnte. Wie vieles hieraus auch für die Gründungs- und Besitzgeschichte einzelner Klöster
gewonnen werden kann, zeigen Mayers Ausführungen über St. Peter und St. Märgen schon jetzt zur
Genüge. -- Zwanzig Jahre nach dem für die Geschichte des deutschen Südwestens so verhängnisvollen
Aussterben der Zähringer erlosch das Geschlecht der Grafen von Blieskastel, die in den
lothringisch-pfälzischen Grenzgebieten über einen zwar nur aus Kirchenlehen bestehenden, doch umfangreichen
und geschlossenen Besitz verfügt hatte. Die verwickelten Phasen des jahrzehntelangen Erbfolgestreites, der sich an
dieses Ereignis anschloß, werden von Pöhlmann <
816> in Kürze klargelegt; ausdrücklich betont der Verf. vor allem
das für die allgemeine Geschichte bedeutsame Endergebnis: das erste Einbrechen des von Westen her gedrängten
lothringischen Herzogtums in das deutsche Sprachgebiet. -- Die Geschichte der badischen Markgrafschaften im 16. Jh. ist
durch zwei fleißige Dissertationen nicht unwesentlich bereichert worden. Von der umfangreichen, durch solide und
umsichtige Verarbeitung des Quellenmaterials ausgezeichneten Arbeit Kattermanns über Markgraf
Philipp I. <
855>, die zeitlich unmittelbar an die früher angezeigte Dissertation
Wielandts über Christoph I. anschließt, liegt bisher nur ein Teildruck vor, der die territoriale und
reichsfürstliche Politik des Markgrafen bis zum Jahr 1524 darstellt. Als bezeichnenden Zug wird man nach K.s
Untersuchungen eine
S.528 kluge Zurückhaltung ansehen dürfen, die im Vermitteln oder Hinhalten ihr Heil suchte und bindenden Verpflichtungen bis zur Grenze des Möglichen auswich; in der Angelegenheit des Herzogs Ulrich von Württemberg und in der Sickingischen Fehde wie bei der Kaiserwahl tritt dieses Haltung in gleicher Weise zutage. Wie weit der Kanzler Hieronymus Veus die Linien dieser Politik bestimmte, wird schwer zu entscheiden sein. Einen vermittelnden Charakter zeigt jedenfalls sein Verhalten auf dem Wormser Reichstag, bei dem er bedeutsam hervertrat und -- bezeichnend genug -- von Aleander wie von Luther Anerkennung erntete. Veus ging so weit mit den neuen Ideen, wie es seine Überzeugung von der Notwendigkeit einer gründlichen Kirchenreform zuließ; sobald er die Unvereinbarkeit beider Dinge erkannt hatte, vertrat er eindeutig den auch in der Folgezeit festgehaltenen altkirchlichen Standpunkt. Die bayrische Heirat der Tochter Markgraf Philipps, die K. gegen Ende seiner Arbeit erwähnt, wurde erst für die Zukunft dadurch von entscheidender Bedeutung, daß sie der führenden katholischen Territiorialmacht Anlaß zu nachhaltigem Eingreifen in die badischen Verhältnisse gab. Die Geschichte der beiden bayrischen Vormundschaften, 1537--1556 über Markgraf Philibert, 1569--1577 über Markgraf Philipp II., behandelt Reinking in einer Heidelberger Dissertation < 866> auf Grund der bisher noch kaum verwerteten Vormundschaftsakten. Die auf die Rekatholisierung des baden-badischen Landesteils gerichteten Tendenzen, die bei der zweiten Vormundschaft unter dem Statthalter Schwarzenberg und dem Jesuiten Schorich angesichts der inzwischen erfolgten Festigung des Protestantismus wesentlich schärfer zutage traten, waren für die Gestaltung der konfessionellen Verhältnisse in der Markgrafschaft Baden-Baden trotz späteren Rückschlägen am Ende doch von entscheidender Bedeutung und spielten auch in der Reichspolitik als erste augenfällige Äußerungen der Gegenreformation eine nicht unwichtige Rolle. R.s Arbeit bringt das Wesentliche dieser Entwicklung zur Darstellung, leider ohne den Mut zum Verzicht auf unwesentliches Beiwerk; straffere Linienführung wäre der Arbeit ebenso dienlich gewesen wie größere Sorgsamkeit bei der Drucklegung. -- Wenige Jahre nach der zweiten bayrischen Vormundschaft in Baden erlebte auch die Kurpfalz eine neunjährige vormundschaftliche Regierung, die jedoch das entgegengesetzte Vorzeichen trug. Dort die Restauration des erstarkten Katholizismus, hier die Wiedereinführung des Calvinismus durch Johann Casimir, dessen Tatendrang sich an der Spitze eines großen Territoriums alsbald in den Dienst einer politischen Aktivität großen Stils stellte. Erfolge waren diesem wichtigsten unter den deutschen Bekämpfern der Gegenreformation freilich nur in sehr geringem Maß beschieden, eigentlich nur auf dem Gebiet der Territorialpolitik, wo es ihm gelang, seine heftig angefochtene Statthalterschaft gegen alle Widerstände zu behaupten und der calvinistischen Lehre wieder zur Anerkennung zu verhelfen. Seine größeren Pläne, die auf Zusammenschluß der deutschen Protestanten und europäische Zusammenwirkung gegen den Katholizismus gerichtet waren, scheiterten bekanntlich. D. Cunz, der die Regentschaft Johann Casimirs in einer tüchtigen Frankfurter Dissertation behandelt < 865>, betont mit Recht, daß die Gründe hierfür zum Teil doch auch in Johann Casimir selbst zu suchen sind, dem es zwar nicht an großen, weitschauenden Ideen und an realpolitischer Erkenntnis fehlte, aber an der beharrlichen Festigkeit der großen Führernatur, die allein solche Ideen zu verwirklichen vermag. -- Der unvermeidlicheS.529 große Krieg, dessen Ausbruch die vorwärtsdrängende Politik Johann Casimirs vielleicht beschleunigt hat, ist in seinen Auswirkungen auf den linksrheinischen Teil unserer Landschaft von J. Ellerbach in einem früher gewürdigten dreibändigen Werk dargestellt worden. Für das Elsaß ist also nur Nachlese zu halten; so bieten denn auch die Ausführungen Thielings über die kleinen hanau-lichtenbergischen Städte des Unterelsaß < 894> vorwiegend lokalgeschichtliches Interesse, sie geben aber zugleich ein hübsches methodisches Beispiel dafür, daß aus dem begrenzten und trockenen Material der Kirchenbücher und Stadtrechnungen mancher wertvolle Baustein herausgeholt werden kann. -- Unsere Kenntnis von der badischen Politik in der Rheinbundzeit wird in der Dissertation von A. Waller < 1003> durch Verwertung neuer Quellen um einige Züge bereichert (Versuche Badens zur Gewinnung deutsch-schweizerischer Gebietsteile in den Jahren 1807/8, Bemühungen um bessere Besoldung oder Rückberufung des spanischen Expeditionskorps u. a.). An dem Gesamturteil über diese Epoche als eine unerfreuliche, aber unvermeidliche Durchgangsstation auf dem Wege der deutschen Staatsbildung wird sich nichts Wesentliches ändern, wenn auch Verf. geneigt ist, im Hinblick auf den bei Baden besonders auffälligen Zwiespalt zwischen der theoretischen Souveränität und der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit das Negative noch etwas stärker zu unterstreichen, als bisher meist geschehen ist. Die Person des badischen Gesandten Dalberg, über den allerlei Neues beigebracht wird, bedürfte wohl noch einmal einer erschöpfenden Sonderbehandlung, die ein endgültiges Urteil über diese merkwürdig schillernde Persönlichkeit ermöglichen würde. |
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