§ 8. Urkunden- und Zeitrechnungslehre(R. Heuberger) Von den andernorts gewürdigten Neuerscheinungen kommen für
die Urkundenlehre außer den Nachrufen für W. Erben <
140> zunächst in Betracht: ein Handbuch der Aktenkunde <63, S.
134>, die Urkundenausgaben und Regestenwerke <
70,
194 f.,
197--209,
733,
807,
811,
1967,
1995,
1997,
2011,
2080--83,
2130,
2171,
2183,
2200>, Veröffentlichungen über Bestände und Geschichte von
Archiven <
65--70,
74--76,
192>, endlich Arbeiten, die sich mit der Urkundensprache <
451--55,
457--60> sowie mittel- oder unmittelbar mit Siegeln <
379--91> beschäftigen. Heuberger druckt seinen die
Urkunden- und Zeitrechnungslehre betreffenden Bericht für 1930 <1930, S. 112--15> in erweiterter Gestalt ab
<
353> und Zatschek gibt in gewohnter Art einen
Überblick über die 1932 und 1933 erschienenen Veröffentlichungen aus dem Gebiet der Urkundenlehre <
354>. Nicht für dieses Fach, sondern nur für die Geschichte
geistiger Verirrungen von Belang ist W. Kammeier, Die Fälschung der deutschen Geschichte (H. 1. Die
Fälschung der urkundlichen Quellen des deutschen Mittelalters. H. 2. Die Fälschung erzählender
Geschichtsquellen. H. 3. Rom als Urheberin der Fälschungsaktion.
S.157 H. 4. Die Fälschung der Germania des Tacitus; Leipzig, Ad. Klein, 83, 88, 75, 58 S.). Man erfährt aus diesem wunderlichen Werk u. a., daß die üblichen Methoden der Urkundenkritik verkehrt sind, daß alle mit Widersprüchen in der Datierung oder sonstigen Fehlern behaftete Urkunden als gefälscht zu gelten haben, und daß sie sowie alle bisher als unecht angesehenen Urkunden des MA. gleich vielen erzählenden Quellen und dem Register Gregors VII. während des 15. Jh.'s zwecks Verfälschung unserer nationalen Geschichte durch eine von Rom aus geleitete Fälscherzunft verfertigt wurden. Zu den Urkundenfälschungen s. 359, 366, 682, 735--37, 818, 859.Hohes Verdienst um unser Wissen vom ältesten ma.'lichen Urkundenwesen gebührt Johns tiefschürfender und klar geschriebener Doktorarbeit < 356>, die, sachlich und räumlich weit über Zatscheks ähnliche Forschungen <1927, 273, S. 129 f.> hinausführend, unter Mitberücksichtigung der Merowingerdiplome die formalen Beziehungen der privaten Schenkungsurkunden Italiens und des Frankenreichs und die Wirksamkeit der Formulare verfolgt. John begnügt sich nicht damit, sorgfältig die Verbreitung einzelner Formeln und die ganzer Urkundenformulare (von ihm zum Unterschied von den zu Musterzwecken gefertigten Aufzeichnungen »Formen« genannt) über kleinere oder größere Teile des ins Auge gefaßten Raumes festzustellen. Er untersucht vielmehr, damit zugleich methodische Grundfragen klärend, auch die durchaus nicht überall gleichen Ursachen der von ihm beobachteten Erscheinungen und zeigt namentlich, in der Beweisführung Scharfsinn mit Vorsicht verbindend, daß die urkundlichen Formalbeziehungen in Italien gemäß der Meinung Brunners nicht und im Frankenreich viel seltener, als man bisher annahm, durch Benützung von Formularsammlungen zu erklären sind. Dabei werden im einzelnen mannigfache wichtige Aufschlüsse und Einsichten gewonnen, so betreffs der im Urkundenwesen erkennbaren Beziehungen zwischen Italien und dem fränkischen Reich sowie zwischen dem Westen und dem Osten dieses Staates und betreffs der Gründe, die es veranlaßten, daß im spätmerowingischen Reich zahlreiche Formularsammlungen angelegt, aber von den Urkundenschreibern nicht allzuoft unmittelbar benutzt wurden. Zu den Formular- und Briefsammlungen s. 360 f., 372, 681, 724 f., 728. R. Drögereit sucht (Archiv für
Urkundenforschung 13, S. 335--436, 5 Tafeln) die wichtige Frage zu beantworten: »Gab es eine angelsächsische
Königskanzlei?«. Er untersucht in bezug auf Schrift und Diktat die ihm erreichbaren, großenteils
verdächtigen angelsächsischen Königsurkunden aus der Zeit von 925--975, wendet sich dann den Typen dieser
Ausfertigungen zu und behandelt schließlich die Bedeutung der Zeugenunterschriften sowie die Dorsualnotizen. Das
Hauptergebnis dieser sehr verdienstlichen, allerdings nicht immer ganz durchsichtigen Darlegungen, die auch im einzelnen
vielfach Wertvolles zutage fördern, geht dahin, daß sich unter Äthelstan eine Kanzlei entwickelte, die
nach 950 vorübergehend verfiel, um in Eadmunds letzter Zeit ihren Höhepunkt zu erreichen, daß sie aber
selbst damals nur wenige, als Schreiber und Diktatoren tätige Mitglieder zählte. Wie für den Nordwesten,
so liegt auch für den Südosten Europas eine Arbeit aus dem Bereich der Lehre von den Herrscherurkunden vor.
Mit Hilfe des Nachweises, daß die in der zweiten Hälfte des 14. und zu Beginn des 15. Jh.'s im Namen
serbischer Könige und Despoten ausgestellten Urkunden von geistlichen Empfängerschreibern herrühren,
erteilt
S.158 W. Mošin eine verneinende Antwort auf die Frage »Gab es unter den serbischen Herrschern des Mittelalters eine griechische Hofkanzlei?« (Archiv für Urkundenforschung 13, S. 183--197). In das Gebiet der fränkisch-deutschen Herrscherurkunden <zu diesen auch 72 f., 192, 194 f., 197, 358, 388, 720, 725, 818, 837, 1488, 1557, 2206> führt außer den dem Berichterstatter nicht zugänglichen Veröffentlichungen Levillains < 359> und Schetters < 357> ein Aufsatz Schöffels < 371>. Dieser behandelt sehr anschaulich einige Nürnberger namens Stromer und Schatz (Thesaurus oder Thesauri), die als Notare Karl IV. dienten und in Böhmen heimisch wurden. Einen dankenswerten kurzen Überblick über Aufkommen und Verbreitung des Brauches, Urkunden deutscher und anderer Herrscher, der Päpste und ablaßverleihender Kirchenfürsten mit Zierbuchstaben, Zierschrift und Malereien zu schmücken, gibt Santifaller als Einleitung zu seiner von 12 Tafeln begleiteten Veröffentlichung zehn illuminierter, 1347--1494 ausgestellter Ablaßbriefe für Kirchen des Gadertals und Buchensteins (Südtirol) sowie des Wappenbriefs Kaiser Friedrichs III. für Balthasar Schgaguler von 1489 < 355>. Zu den Ablaßbriefen vgl. auch 2171. Ein Mandat Hadrians VI. für Montieraney druckt Wilmart ab und knüpft daran Bemerkungen über eine in diesem Schriftstück erscheinende Formel < 364>. Von Midunskys Arbeit über das Formular der Urkunden desselben Papstes liegt das 3. Kapitel vor, das sich sehr eingehend mit dem Protokoll dieser Stücke befaßt und eine Übersicht über das Itinerar ihres Ausstellers bringt < 362>. Eine Kardinalsurkunde von 1185 Ende März bis Anfang April, die zeigt, wie man vor der Errichtung der Audientia litterarum contradictarum an der Kurie bei Beanstandung päpstlicher Urkunden verfuhr, veröffentlicht und erläutert Ramakkers < 365>. An Hand von 126 unter Beigabe eines Glossars z. T. erstmalig abgedruckten Schreiben bespricht E. Heller (Archiv für Urkundenforschung 13, S. 198--318) den kurialen Geschäftsgang in den Briefen des Thomas von Capua. Sie führt vor, wie sich Thomas als Notar und Kardinal um die günstige Erledigung von Bittschriften in Gratial- und Justizsachen bemühte, zeigt, daß er dies meist nicht umsonst tat, und beleuchtet die Tätigkei der damaligen Prokuratoren an der Kurie. Endlich behandelt Fink, der in den Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 25, 1933/34, S. 292--307 die ältesten, ihm bis dahin bekanntgewordenen Breven bis auf Martin V. zusammengestellt hatte, diese Liste ergänzend, unter Beigabe von 12 Tafeln, die Breven der Zeit von Bonifaz IX. bis Alexander VI. < 363>. Er beschreibt, nach Sekretären geordnet, die Typen der Breven, führt vor, wie sich diese wohl schon unter Urban VI. durch praktisches Bedürfnis aus den Sekretbriefen entwickelten, weist auf die Verwandtschaft dieser Schriftstücke mit Ausfertigungen gleichzeitiger Herrscher- und Fürstenkanzleien hin, zeigt, wie sich der bereits unter Bonifaz IX. gut ausgebildete Breventyp unter Johann XXIII. und Martin V. und nach Schwankungen unter Eugen IV. endgültig unter Nikolaus V. festigte, und bespricht die Besiegelung sowie die gelegentliche eigenhändige Unterzeichnung dieser Schreiben durch die Päpste. Zu den Papsturkunden, die auch in V. Federicis Tafelwerk (La scrittura delle cancellerie Italiane, Roma 1934) berücksichtigt werden, vgl. auch 192, 366, 730, 807, 2080--83, 2200, 2202.Erwünschte Mitteilungen über Form und
Entstehungsgeschichte der Staatsverträge des Deutschordens seit 1400 macht Weise <
367>. In dem gedruckt vorliegenden, von 5 Bildbeilagen begleiteten Teil
seiner Arbeit über die äußeren
S.159 Merkmale der Breslauer Bischofsurkunden bis zum Jahr 1319 < 368> zeigt Allamoda auf Grund sorgfältiger kritischer Untersuchung der Buchstabenformen und Wortbilder, wie sich während des 13. Jh.'s im Zusammenhang mit dem Entstehen der bischöflichen Schreibstube eine Kanzleischrift herausbildete und wie sich diese dann weiterentwickelte. Zu den Bischofs- und Fürstenurkunden 385 f., 389, 451--53, 457--59, 1967, 2171. Zum Offizialat 2187, Zum städtischen Urkundenwesen 379, 384 f., 451, 453--455, 458 f., 805, 1572. Zu den Urkunden bürgerlicher und bäuerlicher Kreise 456, 843. Zu den Stadt- und Gerichtsbüchern 1549, 1552, 1921. Zu den Kirchenbüchern 1927. Zu den Urbaren 1996, 2007 f., 2015, 2017.Aus dem Bereich der Zeitrechnungslehre liegen ein sie betreffender Bericht < 373> und die Abhandlung Beckers < 374> vor, in der vor allem auf Grund von Breslauer Archivalien dargelegt wird, daß der Gregorianische Kalender in den ersten Monaten des Jahres 1584 nach und nach in Schlesien sowie in der Oberlausitz eingeführt wurde, ohne daß die Neuerung hier auf nennenswerten Widerstand gestoßen wäre. |
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