V. Innere Politik Deutschlands im Weltkriege.Aus der
sehr verschiedenartigen Literatur können nur die Beiträge hervorgehoben werden, die für den politischen
Historiker von stärkerem Interesse sind. Zwei quellenmäßig gut fundierte Arbeiten beschäftigen sich
mit der deutschen Kriegsverwaltung im Baltikum und werfen neues Licht auf ihre Bedeutung für die Entstehung der
Randstaaten. -- Die Untersuchung von H. Zemke <
1333> über die Organisation des Schulwesens in Litauen widerlegt den
oft erhobenen Vorwurf, daß die OHL. mit ihr einseitige Germanisierungstendenzen verfolgt habe. Sie beleuchtet die
Größe ihrer positiven Leistung in diesen unter russischer Herrschaft stets vernachlässigten Gebieten,
betont die Toleranz der deutschen Schule gegen die Nationalitätensprachen und wirft viel Licht auf das erbitterte
Ringen der Völker untereinander und die vorbereitende Bedeutung der deutschen Arbeit für die Entstehung der
neuen, national gegliederten Einzelstaaten. -- In der gleichen Richtung wirkt die nicht ganz so anschauliche Arbeit von
S.303 I. Broedrich < 1334> über die deutsche Kriegsverwaltung in Kurland, die für das Verhältnis von Letten und Deutschbalten in diesem Gebiet des stärksten deutschen Siedlungselements im Baltikum von besonderem Interesse ist. Auch hier wird betont, daß von einer ursprünglichen Feindschaft der Letten gegen die im ganzen wohltätige deutsche Verwaltung nicht die Rede sein kann.Die im letzten Jahre erschienenen Erinnerungen des Grafen Westarp < 1335/1336> sind Gegenstand mehrfacher eingehender Behandlung geworden, die den großen Quellenwert ihres Dokumenten- und Briefmaterials sowie ihre Bedeutung als repräsentative Spiegelung der preußischen Konservativen Partei vor ihrem Zusammenbruch am Ende des Weltkrieges hervorheben. -- Eine geschlossene größere Gruppe von Arbeiten hat sich aus der Lage und den Forderungen der deutschen Gegenwart heraus den Problemen der sozialen und wirtschaftlichen Kriegführung zugewendet. Gerh. Albrecht < 1338> hat knapp positive Leistungen und Lücken der sozialen Kriegsvorbereitung Deutschlands vor 1914 geprüft und betont, daß bei allen Schwächen die soziale Gesetzgebung des zweiten Kaiserreichs doch eine unentbehrliche Voraussetzung für den vierjährigen Verteidigungskampf gegen eine Welt von Feinden bedeutet hat. -- Der gleiche Verf. < 1337> hat den Stand der deutschen Sozialstatistik während des Krieges in lehrreicher Weise als Index der wirtschaftlichen Lage und Barometer der staatlichen Energie und Leistungsgrenzen in der Bewältigung der kriegswirtschaftlichen und sozialen Aufgaben Deutschlands geprüft. -- Diesen Arbeiten reiht sich eine ganze Kette der von Kurt Hesse herausgegebenen Hamburger Hefte »zur kriegswirtschaftlichen Forschung und Schulung« an. Ch. Lorenz < 1339> hat hier in weiterem Rahmen das Verhältnis von Statistik und Kriegswirtschaft behandelt und betont die ernsten Lücken der landwirtschaftlichen und industriellen Produktionsstatistik, denen entscheidende Schwächen der kriegswirtschaftlichen Planung und Leistung entsprochen haben. -- K. Hesse selbst < 1340> behandelt an dem Beispiel der rumänischen Okkupationsverwaltung eine Kriegsepisode, die im Gegensatz zu voreiliger, oft gehörter Kritik geeignet ist, die Leistungsfähigkeit einheitlich militärisch gelenkter Kriegswirtschaft zu beleuchten. -- F. A. Schilling-Voß' < 1341> Studie über die Sonderernährung der Rüstungsarbeiter betont die Mängel der Organisation, die durch die hastige Improvisation größter Aufgaben im Krieg notwendig entstehen mußten. --Sperlichs < 1342> Studie über die deutsche Kriegstextilwirtschaft untersucht ein Gebiet, auf dem die Lücken der deutschen Rohstoffversorgung im Weltkrieg besonders katastrophale Folgen hatten und das daher auch heute wieder schärfste Aufmerksamkeit fordert. -- Ein im Weltkrieg von den verschiedenen Interessengruppen mit höchster Erbitterung umstrittenes Gebiet hat schließlich Th. Macht < 1343> in seiner Arbeit über die deutsche Fettwirtschaft mit dem Ergebnis behandelt, daß keine Rede von der von agrarischer Seite behaupteten Entbehrlichkeit der Zwangswirtschaft sein könne. Indem er die Aufmerksamkeit auf die Vernachlässigung dieser Frage in der Zeit von 1918 bis 1933 lenkt und ihren Gegensatz zu der nationalsozialistischen Gesamtregelung der Fettwirtschaft betont, sind hier wie in anderen Arbeiten dieser Reihe bereits Themen angeschlagen, die auch die Arbeit des Folgejahres zur Erforschung der Wirtschaftsgeschichte des Krieges in Deutschland weiter beschäftigt haben. |
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