II. List.Die große Herausgabe seiner Werke ist
mit dem Erscheinen der beiden letzten Bände <
2014; vgl. 1930, S. 289, 1935, S. 444> nach gut zehnjähriger
Tätigkeit abgeschlossen. Es ist damit ein über alles Erwarten gewaltiges Geisteswerk in vollem Umfang
erschlossen. Uneingeschränkte Anerkennung gebührt denjenigen, die es so liebevoll und in jeder Hinsicht
mustergültig betreut haben. Das trifft in vollem Maße auch für diese beiden Bände zu. Inhaltlich
bringen sie Neues in der Nachlese, in der, wie von vornherein beabsichtigt war, nicht allerlei Abfälle vereinigt,
sondern eine Anzahl wichtiger Stücke gesammelt sind, die das Bild der Persönlichkeit und ihres Werkes
bereichern und ergänzen. Alles andere dient der Übersicht und Wegführung: das überaus
sorgfältige und dennoch, begreiflicherweise, nicht lückenlose Lebens-»Itinerar«; die 963 Nummern
umfassende Aufzählung aller Veröffentlichungen, einschl. Zeitungsartikel, Miszellen u. a., gleichfalls in
zeitlicher Reihenfolge; die Sach-, Orts- und Namenverzeichnisse zur Gesamtausgabe. Ein glänzendes Zeugnis für
diese ist auch der erstaunlich geringe Umfang der Berichtigungen. -- Die Vollendung der Gesamtausgabe ist auch dem
volkstümlichen Buche von Meißinger <
2016> zugute gekommen, das 1930 in erster und nun in wesentlich
S.388 bereicherter Auflage erschienen ist. Ein prachtvolles Gedenkwerk, in dem Persönlichkeit und Schicksal mit erlesener Kunst dargestellt sind, das von Anfang bis Ende fesselt, erhebt und erschüttert und das somit hervorragend geeignet ist, das Bild jenes großen Deutschen weiten Kreisen des Volkes lebendig zu machen. -- In ganz anderer Weise zieht Lenz, der verdiente Mitbegründer der List-Gesellschaft und Mitherausgeber des Gesamtwerkes, die Summe aus langjähriger Beschäftigung mit diesem Gegenstand < 2015; vgl. 1930, S. 290>. Das Biographische beschränkt sich hier auf das Notwendigste, dagegen wird in sechs Hauptteilen das gesamte Lebenswerk des Mannes im Querschnitt dargelegt und so eine großartige und überall weitgespannte Schau über sein Denken und Wirken geboten. Seine Staats- und Gesellschaftslehre, ihre Zielsetzung und Verbindung mit den Erfordernissen der Zeit, die tragischen Kämpfe des Bahnbrechers neuer gesellschaftlicher und nationaler Bestrebungen mit den staatlichen Gewalten, die neuen und weiten Horizonte, die sich in Verbindung mit seinen Auslandsaufenthalten eröffnen und die ihn zum Theoretiker des modernen Imperialismus werden ließen, die inneren und äußeren Beziehungen zu den Strömungen und Persönlichkeiten der vormärzlichen Zeit, Mann und Werk nach ihrer geschichtlichen Besonderheit und ihrer allgemeinen Bedeutung -- das sind im wesentlichen die Gesichtspunkte dieser großzügigen, mit eindringlicher Kenntnis des Stoffes und weitester Auswertung auch der allgemeinen Literatur zum Vormärz erarbeiteten Darstellung. In ihr ist das Ergebnis der großen Listforschungen der Nachkriegszeit gründlich und eindrucksvoll von berufenster Hand gezogen; im Anhang wird eine Gründung im Geiste Lists, von 1848, erstmalig behandelt. Allerdings bemerkt Sommer geradezu, daß der Titel den Inhalt nicht decke und daß eher eine »politische Soziologie der List-Zeit« vorliege, weil die Einflüsse des Vormärz, derzeitiger Persönlichkeiten und der deutschen Innenpolitik zu stark in den Vordergrund gestellt seien, während die amerikanische Zeit verhältnismäßig zurücktrete; er hebt mit Recht hervor, daß List über den Vormärz und die deutschen Grenzen hinausgewachsen, innerhalb dieser früh eine Macht geworden sei, und daß seine Einwirkungen und Erfolge positiver beurteilt werden müßten. Auch Albrecht findet, daß hinter der wirklich ausschöpfenden und an sich ausgezeichneten Darstellung der zeitgeschichtlichen Geschehnisse, Persönlichkeiten und Zusammenhänge das Bild des Menschen List nicht mit der wünschenswerten Schärfe hervortrete. -- Die Einzeluntersuchung von Koeppel < 2017> beschäftigt sich besonders eingehend mit den geistigen Grundlagen des Natürlichen Systems der politischen Ökonomie von 1837, wobei neue Quellen ermittelt sind, und den Beziehungen zwischen jenen und dem Nationalen System; zum Schluß werden Belegstellen mitgeteilt, die L. als Vorläufer nationalsozialistischen Wirtschaftsdenkens kennzeichnen. Weinheber < 2018> untersucht das innere Verhältnis Lists zur Romantik, zum Liberalismus, zum Marxismus und namentlich zum Nationalsozialismus; das Gemeinsame und das Unterschiedliche der einzelnen Welt- und Wirtschaftsanschauungen wird m. E. scharfsinnig, erschöpfend und zutreffend dargelegt, so daß damit eine fruchtbare und gegenwartsnahe Gedankenarbeit geboten ist. |
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