III. Einzelne Landesteile und Orte.Unter
erschöpfender Verwertung der Quellen des Staatsarchivs Königsberg bietet Barkowski <
1548> eine Übersicht über die Geschichte der Besiedlung des
Hauptamts Stradauen-Oletzko, d. h. der Südostecke der Provinz, die den Kreis Treuburg ganz, die Kreise Lyck und
Lötzen z. T. umfaßt. Das Siedlungswerk begann im letzten Drittel des 15. Jh.'s und wurde durch das ganze 16.
Jh. fortgesetzt. Vorwiegend wurden Bauern angesetzt, die meisten durch innere Kolonisation; aus Masowien kamen
verhältnismäßig wenig Einwanderer. Die wenigen großen Güter wurden an deutsche Adelsfamilien
verliehen. -- Die Wertlosigkeit der Diss. von Gunia <
1950> mag sich aus der unglücklichen Themastellung erklären: Es
geht nicht an, die Stadtprivilegien einer einzelnen Komturei unter allgemeinen Gesichtspunkten zu untersuchen, oder
wenigstens könnte bei einer solchen Begrenzung nur ein Verf. zu positiven Ergebnissen gelangen, der über die
Probleme stadtgeschichtlicher Forschung wesentlich besser unterrichtet wäre als G. Ein Komtureigebiet zugrunde zu
legen, ist freilich schon deshalb unangebracht, weil die Privilegien teils von den Komturen, teils von den Hochmeistern
ausgestellt sind. --Dienelt <
234> bringt ohne Kommentar einen bis zur Nichtauflösung der
Abkürzungen gehenden buchstäblichen und doch von sinnstörenden Fehlern nicht freien Abdruck einer um 1750
entstandenen, bisher unbekannten Geschichte Insterburgs, von der etwa die Listen von Beamten usw. einen gewissen Wert
haben mögen. --Brunk <
1806> bietet namentlich auf Grund der Akten des Elbinger Stadtarchivs eine
sehr ansprechende Schilderung des um 1830 einsetzenden Übergangs der Stadt zur Industrie; Schichau entstand 1837
als Maschinenfabrik mit 8 Arbeitern, während eine Dampfschiffabrik schon an 200 Arbeiter beschäftigte. Die
Unternehmer beschäftigten unverhältnismäßig viele Kinder von 10 bis 15 Jahren mit einer Arbeitszeit
von 11 bis 14 Stunden; erst 1835 begann der Staat, solchem Unwesen Einhalt zu gebieten. Besonders aufschlußreich
sind seine Ausführungen über »Handwerk und Gesellen«; die starke Zunahme nichtzünftiger
Meister mit kümmerlichem Einkommen dürfte, was B.
S.432 nicht sagt, wie anderswo eine Folge des Einströmens infolge Auswirkung der Agrargesetzgebung landlos gewordner Bauern in die Stadt sein. Die Organisationen der Gesellen -- Krankenkassen- und Herbergswesen -- behaupteten sich und wurden von der Regierung gefördert. Gegen Streiks wurde in den 20 er und 30 er Jahren energisch durchgegriffen, während der Streik kurz vor 1848 schon als Mittel im Lohnkampf geduldet wurde. Die Unruhe in der Arbeiterschaft muß, wie übrigens auch in ostpreußischen Kleinstädten, schon lange vor 1848 unverkennbar gewesen sein. Sozialistische Einflüsse hat B. vor 1848 in Elbing nicht beobachtet; aus Opposition gegen das liberale Stadtregiment war ein großer Teil der Arbeiterschaft vielmehr konservativ eingestellt. -- Buchholz < 2053> veröffentlicht eine bisher unbekannte Steuerliste der Altstadt Braunsberg von 1453, die zur Erhebung einer Steuer für den Preußischen Bund angelegt ist. Er knüpft daran wohlabgewogene Bemerkungen über die Bevölkerungszahl der Stadt, die er, vielleicht etwas niedrig, auf 2550 annimmt oder etwa ebensoviel wie 1772. Die höchsten Steuern zahlten die Ratsmitglieder; auf den einzelnen Bürger entfiel in der Stadt selbst die hohe Durchschnittssumme von 75 M., in den Vorstädten von 17 M., etwa ein Fünftel der Zensiten war von der Steuer befreit. Nach den Herkunftsnamen der Familien zu urteilen, stammte die Bürgerschaft überwiegend aus dem Ordenslande, daneben in geringem Maß aus dem ganzen Ostelbien, nur wenige Namen (Hannover) deuten auf Herkunft aus dem Westen. Verschwindend gering ist der Anteil von Polen und Preußen. --Poschmann < 1949> gibt eine sehr eingehende Schilderung der Braunsberger Stadtverwaltung 1772--1808 nach den Akten des Ratsarchivs und des Königsberger Staatsarchivs. Wenn auch das Wahlrecht der Stadt nicht formell aufgehoben wurde -- nur der erste Polizeibürgermeister wurde geradezu vom König ernannt -- und die meisten 1772 amtierenden Ratsmitglieder im Amt blieben, so setzte der Staat doch in allen Fällen, in denen es ihm darauf ankam, die Wahl ihm genehmer, und zwar durchweg evangelischer Kandidaten durch. Wiederholt hat der Magistrat auf sein Wahlrecht verzichtet und den Behörden die Bestellung der Beamten überlassen. Die Verwaltung Braunsbergs war übrigens 1772 in guter Ordnung, nur zur Innehaltung regelmäßiger Dienststunden waren die Ratsherren schwer zu bewegen. -- Die Durchführung der Städteordnung von 1808 machte in Braunsberg, wie Poschmanns < 1948> Darstellung beweist, keine Schwierigkeiten, da es dort an geeigneten Persönlichkeiten nicht fehlte. Ein Regierungsdirektor urteilte 1810: »Von allen Städten zeichnet sich Braunsberg durch den daselbst herrschenden Gemeingeist, durch die kluge Wahl der öffentlichen Beamten, durch die Einsicht der Verwaltungsbehörden und durch die Harmonie des Ganzen aus.« Nur selten weigerte sich ein Bürger, in den Magistrat einzutreten. Wohl aber gab die Beteiligung der Bürgerschaft an den Stadtverordnetenwahlen zu Klagen Anlaß. Stimmberechtigt waren damals 7,5 Prozent der Einwohnerschaft. --Panske < 2293; vgl. 1935, S. 441> bietet in seiner Fortsetzung über die Personalien der Mitglieder des Kulmer Domkapitels für die Jahre 1834--1856 drei allzu breit angelegte Biographien; bemerkenswert ist, daß die 3 Domherren sämtlich Schlesier waren, und daß die kirchliche Behörde bei der Beurteilung ihrer Verfehlungen eine große Milde walten ließ. --Hassbargen, Die Reformation in Danzig 1528 (Danzig 1937) schildert z. T. auf Grund bisher nicht beachteter Quellen der Danziger Stadtbibliothek die sozialen und religiösen Bewegungen 1522--1525,S.433 namentlich die von 1525 in mehr temperamentvoller als klarer Weise. Seine Grundthese, daß die Reformation in Danzig ein Ereignis der deutschen Geschichte sei, ist wohl noch niemals angezweifelt worden, weil es selbstverständlich ist; es sei z. B. auf Keyser, Danzigs Gesch., S. 71 f., verwiesen. H.s Ausführungen entbehren der Einfügung in größere Zusammenhänge. Seine neuen Quellen müssen auf ihren Wert noch kritisch untersucht werden. Es scheint danach, daß die Unruhen vom Januar 1525 vom Rat, nicht von der Bürgerschaft ausgegangen sind. -- Auf Grund sehr ausgedehnter archivalischer Studien in Danzig, Berlin, Stettin, Königsberg und Thorn bietet Gallitsch < 2054> eine sehr gründliche Darstellung der Danziger Postgeschichte bis um die Mitte des 17. Jh.'s. Namentlich die allerdings in den Grundzügen schon bekannten, sehr lebhaften Streitigkeiten des Großen Kurfürsten mit Danzig werden mit neuen Quellen anschaulich geschildert. Danzig hatte eigene Postboten nachweislich bereits um 1400; für die ältere Zeit fehlen Belege. Nach Breslau unterhielt die Stadt seit Ende des 16. Jh.'s, wenn nicht früher, eine regelmäßige Postverbindung über Thorn. In der für diese Linie festgesetzten Ordnung wurde das Briefgeheimnis ausdrücklich gewahrt; jedoch ein Postzwang bestand nicht; Briefe »ungläubiger Juden« waren von der Beförderung ausgeschlossen. --Romanowski < 2055> weist überzeugend nach, daß der in zahlreichen Dörfern des Danziger Gebiets begegnende sogenannte »gemeinsame Artikel« aus der Allmende -- hier Dorfschaft oder Nachbarschaft genannt -- erwachsen ist und nicht Eigentum der politischen Gemeinde, sondern eines seit alters feststehenden Kreises von Besitzern ist. -- Sehr ansprechend ist die auf guten topographischen, philologischen und Geschichtskenntnissen fußende kleine Studie von Grüneberg < 432>. Von den 75 Ortsnamen der Danziger Nehrung sind nach ihm 10 altpreußischen, 16 slawischen und 49 germanischen Ursprungs. Die Namen sind im allgemeinen nach den an die einzelnen Örtlichkeiten gebundenen Verhältnissen gebildet; Bezeichnungen nach Wald, Düne, Meer sind selten, es überwiegen die Namen nach Moor, Palwe, Furt, nach der Höhenlage usw. Daneben ist die Nutzung durch den Menschen für die Namengebung von Bedeutung: Heugewinnung und Pferdeweide, Krüge, Treidelweg, Burganlagen und besonders die Grenze. -- Auf engstem Raum bietet die fleißige Arbeit von Neugebauer < 1551> eine ungemein aufschlußreiche Studie über die friderizianische Kolonisation in Westpreußen. Streusiedlungen mit 1--5 deutschen Siedlungen überwogen bei weitem (80,7 Proz. der belegten Orte); mit 6--10 Siedlerstellen wurden 7,2 Proz. der Orte bedacht. Einen großen Teil der städtischen deutschen Einwanderer nahmen die ohnehin rein deutschen Danziger Vorstädte und Elbing auf. Bevorzugt wurden bei der Besiedlung Gegenden mit gutem Boden, während das wenig fruchtbare derzeitige Korridorgebiet nur 62 städtische und 91 ländliche Siedler aufnahm. Das Deutschtum im Korridor stammt also nicht aus friderizianischer Zeit und ist dorthin auch nicht durch die Ansiedlungskommission gelenkt worden, vielmehr ist es seit Jahrhunderten dort heimisch und alteingesessen. Eine planmäßige Eindeutschungspolitik hat der König zweifellos nicht getrieben, wirtschaftliche Erwägungen spielten in der Verteilung der deutschen Siedler eine entscheidende Rolle. Rez. möchte meinen, daß die Siedlung unter Friedrich d. Gr. in Westpreußen nicht viel anders vor sich gegangen ist als im östlichen Ostpreußen, wo er in den 40 er und 50 er Jahren alle leeren Bauernhöfe planmäßig mit neuen Wirten besetzt hatte, wie ja auchS.434 unter Friedrich Wilhelm I. jenes verödete Gebiet nicht durch national- oder landsmannschaftliche einheitliche Siedlergruppen, sondern durchaus ohne derartige Rücksichtnahmen wiederbesiedelt worden war. -- Der 2. Teil der Publikation von Schulz < 1405; vgl. 1933/34, S. 537> bringt 100 Urkunden zur Geschichte der Stadt Schönlanke 1565--1773. S. wurde 1731 Stadt und ist immer rein deutsch gewesen, der Magistrat und die Bürger urkundeten nur in deutscher Sprache. Das weitaus vorherrschende Gewerbe war die Tuchmacherei, die 1772 rd. 200 Bürger, auch der Bürgermeister, betrieben. Seit der Mitte des 18. Jh.'s nimmt jüdischer Hausbesitz zu. Doch mußten die Juden den Tuchmachern bei eingeführter Wolle ein Vorkaufsrecht lassen und durften 3 Wochen jährlich überhaupt keine Wolle kaufen; ihre Steuern waren sehr hoch. 1773 hatte die Stadt 2132 christliche und 264 jüdische Einwohner. |
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