VI. Volkstum und Sprache.Um eine volksgeschichtlich vertiefte Auffassung der niederländischen Volkskunde bemüht sich das von J. de Vries < 212> herausgegebene Volkskundewerk. Allerdings hat die weitgehende Beschränkung der Untersuchungen auf die heutigen Staatsgrenzen einigen Widerspruch hervorgerufen. Hervorgehoben seien die volksgeschichtliche Grundlegung des Ganzen durch den Herausgeber und die sehr feinfühlige Charakterisierung der friesischen, fränkischen und sächsischen Wesensart durch Watering. Einen wichtigen Beitrag zur Dialektgeschichte der Gebiete zwischen Dijle und Dender und darüber hinaus zur niederländischen Sprachgeschichte des späten MA.'s überhaupt enthalten die Untersuchungen van Loeys < 132> über die brabantische Lautentwicklung des 13. und 14. Jh.'s. Anfänglich als ein Gegenstück zu Mansions Oudgentsche Naamkunde geplant, fußen sie in der Hauptsache auf unveröffentlichen Quellen (Urkunden, Rechnungen, Chroniken), unter reichlicher Heranziehung auch der Ortsnamen. Die Behandlung bestimmter Lauterscheinungen, wie des Umlauts und der Diphthongierung, führt zu dem Ergebnis, daß das Brabantische ursprünglich nah mit dem Limburgischen verwandt gewesen ist, um dann vom Ende des 13. und Beginn des 14. Jh.'s ab einem starken Einfluß von dem kulturell höherstehenden Flandern zu unterliegen. Dieselbe Beobachtung gilt nach M. Schönfeld (De Nieuwe Taalgids, 42, 1938, S. 179--181) auch für das Nordbrabantische. Neue Beobachtungen über das Durchdringen der k/ch-Verschiebung und den Umlaut im Limburgischen sowie einige andere Spracherscheinungen, die das Südlimburgische zu einer Übergangsmundart zwischen den ripuarischen und den westniederfränkischen Dialektgruppen stempeln, legt Noldus < 149> vor. Mehr den Rückgang als die Verbreitung der hochdeutschen Schriftsprache im holländischen Südlimburg untersucht Scherdin <S. 26, Nr. 475> an Hand der noch vorhandenen Grabinschriften. Instruktive Abbildungen veranschaulichen den Text (Wilkening, Rheinische Vierteljahrsblätter, 8, 1938, 179--181). Eine Anzahl
charakteristischer Stimmen zum belgisch-niederländischen Volkstums- und Sprachenproblem der Jahre 1815--1830
behandelt der inzwischen verstorbene Forscher Sabbe <
168> <vgl. 1936,
90, S. 558>. Untersucht wird u. a. das Verhalten Foerés, der sich
nach 1815 zunächst stark gegen jede französische Einflußnahme wehrte und sich in seiner Zeitschrift
»Spectateur Belge« aufs wärmste für die niederländische Sprache und Staatsidee einsetzte,
dann aber aus politischen und kirchlichen Gründen allmählich zu einer scharfen Betonung des
flämisch-holländischen Gegensatzes kam. Sorgfältig, aber über Bekanntes kaum wesentlich
hinausführend, ist die Dissertation Hovens <
99>; die neuere Literatur ist nur lückenhaft verwertet. In der
gründlichen Quellenuntersuchung Grochtmanns <S. 58, Nr.
1082> findet besonders eingehende Behandlung die bekannte Teilnahme
Limburgs an der 48er Revolution und der Mißerfolg der von Baron v. Scherpenzeel auf der Frankfurter
Nationalversammlung vertretenen Politik einer Trennung von den Niederlanden. Nicht tief genug erfaßt ist die
volksgeschichtliche Seite der Dinge. Den auffallenden Unterschied zwischen der flämischen und wallonischen
Bevölkerungsentwicklung im letzten Jahrhundert behandelt Burkardt <
26> an Hand der amtlichen Statistik. Mehr Politik als
Geschichtswissenschaft
S.587 enthält die großniederländisch gerichtete Broschüre von Genechtens < 76>. |
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