I. Allgemeines.Nach einer längeren Zeit
vorherrschender Einzeluntersuchung im Bereich siedlungsgeschichtlicher Forschung macht sich jetzt ein stärkerer
Drang nach allgemeiner Überschau und Zusammenfassung, nach grundsätzlicher Stellungnahme und methodologischer
Erörterung geltend, wie sie bei dem Streben nach neuer Auffassung gern sich einstellt. Ein solches Verlangen ist an
sich wertvoll und fruchtbar; denn die großzügige Betrachtung des Siedlungswesens hat ihr Eigenrecht, ja sie
ist, auf ausreichender Erfahrungsgrundlage
S.311 angestellt, eine Notwendigkeit. Indes ist es ein glücklicher Umstand, daß jene Untersuchungsart, die auf engerem Raume aus den Quellen schöpft und in selbständiger Arbeitsleistung in die Tiefe dringt, nach wie vor die größere Breite der vorgelegten Forschungsbeiträge einnimmt: ohne sie würde allzu leicht der Boden unter den Füßen verloren werden, was bei einer eigens der Bodenverbundenheit des Menschen zugewandten Wissenschaft besonders gefährlich ist.Die umfassendste Schrift,
die aus dem Berichtsjahre vorliegt, ist Adolf Helboks »Deutsche Siedlung« <
1773>. Von gründlichen Einzelstudien zur Siedlungskunde Vorarlbergs
und Tirols ausgehend, hat H. seine Forschungen immer mehr ausgeweitet: auf den alemannischen deutschen Südwesten,
in vergleichender Betrachtung auf Deutschland und Frankreich, in jüngster Zeit auch auf den deutschen Norden. So
darf er das Recht in Anspruch nehmen, sich auf Grund langjähriger Erfahrung und Vorbereitung an eine
überschauende Darstellung des deutschen Siedlungswesens zu wagen. Das Buch ist im »Grundriß der
deutschen Volkskunde in Einzeldarstellungen« erschienen. So gibt es sich als eine Einführung, die sich an
weitere Kreise wendet, besonders an solche, die selbst Volkskunde treiben oder ihre Ergebnisse kennenlernen und
verwerten wollen. »Wesen, Ausbreitung und Sinn deutscher Siedlung« soll dargelegt werden. Der Verfasser
unternimmt dies, indem er nach grundsätzlichen Ausführungen sowohl die vorliegenden Forschungsarbeiten
kennzeichnet, wie auch die Grundzüge der Siedelweise und der siedlungsgeschichtlichen Vorgänge aufzeigen will.
In einem ersten Teil erörtert H. die Grundlagen, wobei die Siedelformen in Land und Stadt behandelt werden, nebst
Eingehen auf die Entwicklung der Siedelformenlehre. Die örtliche wie die landschaftliche Methode der
Siedlungsforschung werden in ihrer Art und Berechtigung umschrieben und charakterisiert. Schon hier tritt H.s
Grundanschauung klar heraus, daß die Siedlungsform Ausdruck volkhaften Gemeinschaftslebens ist. Der zweite Teil
bietet eine Landschaftsschau deutschen Siedelns. Gerade hierbei zeigt sich die Anlage des Buches besonders deutlich. In
landschaftlicher Gliederung soll das Siedelwesen näher erörtert werden, um dem Leser Wesen und Unterschiede
der Siedlung in deutschen Landen bekannt zu machen; zugleich aber soll diese Landschaftsschau auch eine Schau der
wissenschaftlichen Arbeit sein. Dies wird in Einzelabschnitten für Nieder-, Mittel-, Süd- und Alpendeutschland
durchgeführt; auch auf die auslanddeutschen Volksgruppen wird eingegangen. Den Schluß bilden in einem dritten
Teil betrachtende Darlegungen über den Werdegang des Lebensraums eines Volkes, vornehmlich des deutschen, als
volksbiologisches Problem. Gewiß bietet die Schrift H.s dank ihrer Anlage dem Leser mannigfaltigste Belehrung,
auch die Möglichkeit, sich selbsttätig in die Geschichte der deutschen Siedlung und einzelner Landschaften
einzuarbeiten. Indes die gewählte Vermischung von Forschungsbericht und Darstellung des Sachverhalts birgt in sich
auch Gefahren. Forschungslücken sind vorhanden, die einzelnen Arbeiten sind ungleichartig in der Problemstellung,
auch von ungleichem Wert und nicht ohne Abweichung in den Ergebnissen. Die daraus erwachsenden Schwierigkeiten sind
für den Verfasser wie für den Leser nicht leicht zu überwinden, sobald mit dem Bericht über
vorliegende Arbeiten die Darstellung der Erscheinungen selbst unmittelbar verknüpft wird. Am gelungensten sind m.
E. die Ausführungen, wo H. sich, wie beim Vorarlberger
S.312 und Tiroler Alpenland oder in Alemannien, auf eigene vorausgegangene Forschungen stützt, oder wo er seine Gedanken über volksgeschichtlich bereits erfaßte oder noch zu ergründende Siedlung aufbauend und zielweisend darlegt. Eine stattliche Anzahl geschickt ausgewählter Landschaftsbilder (Fotos) und Kartenausschnitte, darunter viel bisher Unbekanntes, ist zur Veranschaulichung beigefügt.Eine gewollte
Umbildung der seit Aug. Meitzens bahnbrechenden Arbeiten fortentwickelten Ansichten über deutsche
Siedlungsgeschichte nebst der Forderung neuer Arbeitsmethoden kündigt sich in der Schrift an, die A.
Hömberg seiner früheren über die Entstehung der westdeutschen Flurformen <1936, S. 351
f.> rasch hat folgen lassen: über »Grundfragen der deutschen Siedlungsforschung« <
1774>. Es ist nicht einfach zustimmend oder ablehnend dazu Stellung zu
nehmen. H. verfügt über vielerlei Kenntnisse aus siedlungs- und wirtschaftsgeschichtlichem Schrifttum,
über einen eindringenden Scharfsinn, auch über offenen Blick für wichtige auftauchende Probleme; seine
Schrift ist anregend, Erhebliches ist daraus zu lernen. Und doch liest man sie mit gemischten Eindrücken.
Gewiß wird die Forschung bereit sein müssen, in vielem umzulernen und neue Wege zu betreten; aber nur
insoweit ist dies geboten, als wirklich damit ein Erkenntnisfortschritt erzielt wird. Wenn H. gegen die
Siedlungsforschung der letzten Jahrzehnte einwendet, daß in den zahlreichen Einzeluntersuchungen kaum einer die
Probleme auch nur gesehen habe, so ist dies ein überspitzter, ungerechtfertigter Vorwurf. Überblickt man die
Probleme, die er selbst behandelt (Verhältnis von Hof- und Dorfsystem, Dorfbildung, Flurform und Parzellierung,
Sippensiedlung und Nachbarschaft, Hufenverfassung, Erbrecht und Siedlung, die Feldsysteme und ihr Alter, Flurzwang,
Pflugarten und Bespannung, Aufschlüsse der Vorgeschichts- und Bodenfundforschung für das Siedlungswesen), so
haben sie alle bereits Berücksichtigung gefunden in allgemeineren Werken wie bei Spezialuntersuchungen, neben
anderen, über die H. hinweggeht, was namentlich in bezug auf die unter geographischen Gesichtspunkten aufgeworfenen
Fragen gilt. Nicht einmal die mit gutem Grund geforderte Unterscheidung verschiedenartiger Gewannfluren ist bisher
unbeachtet geblieben; vgl. W. Eberts Darlegungen über die ländlichen Siedelformen <1936, S. 330>. Was H.
bietet, sind, von Ausnahmen abgesehen, nicht neue Problembereiche, sondern neue Lösungsversuche. Wenn H., wie er
ausdrücklich sagt, nicht eine Theorie vortragen will, sondern nur den »Aufbau einer neuen, das gesamte Gebiet
der Siedlungswissenschaft zusammenfassenden Arbeitshypothese« bezweckt, so klingt dies anspruchsloser, kann aber
um so bedenklicher sein, weil eine solche Hypothese, als vorläufige Annahme, bei der Forschungsarbeit selbst
richtungsweisend sein will. Gehen wir auf wesentliche neuartige Aufstellungen H.s selbst ein! Ganz vornehmlich gelten
sie dem deutschen Westen und seinem weiteren Umkreis, während er sich mit dem Osten und den bisher gerade dort sehr
lebhaft geförderten Siedlungsstudien nur wenig befaßt. Vorausgeschickt sei, daß die Grundherrschaft
nicht an die Anfänge germanisch-deutscher Siedlungs- und Agrargeschichte gestellt wird; an der ursprünglich
freibäuerlichen Besiedlung hält H. fest. Ein Kernstück seiner Auffassung ist es, daß sich der
Gegensatz von Hof- und Dorfsystem erst in historischer Zeit gebildet hat: der »Quellpunkt der Dorfbildung«
lag nicht im germanischen Norden, vielmehr im Südwesten, in jenen Gebieten, in denen sich
S.313 in der Völkerwanderung germanisches und romanisches Wesen mischten, in Zeiten einer Überschichtung des Bauernkriegertums durch eine Herrenkultur, die von Berufskriegern getragen wird, mit Entstehung von Herrenhöfen, in Weiterentwicklung sodann bis zu der völligen Ausbildung der Siedlungsform des Dorfes und der Dorfgemeindeverfassung in derselben Epoche, welche die Vollendung der Form der Stadtsiedlung und Stadtverfasssung sah. Damit sind beachtenswerte Gedanken dargelegt, denen nachzugehen in der Forschung sich gewiß lohnen wird. Indes in vielen Einzelfragen wird ohne sehr gründliche und ernste Prüfung nach der quellenmäßigen Überlieferung nicht klar zu sehen sein. So ist die einstige Verbreitung blockförmiger, lang- und kurzstreifiger Flurgliederung und ihr Verhältnis zueinander nur nach eingehenden Vorarbeiten, an denen es für weite Teile Deutschlands noch fast gänzlich fehlt, wirklich zu bestimmen. In den Herrenbreiten der Salhöfe wird man schwerlich eine Vorform der Flurgliederung später aufgeteilten bäuerlichen Besitzes erblicken; überhaupt ist die Besitzlagerung bäuerlichen Flurzubehörs auch in »unechten Gewannfluren« so geartet, daß sie nicht ohne Schwierigkeit aus allmählichem Wandel ursprünglich blockförmiger Anlage durch Realteilung, Veräußerung und Hinzuerwerb einzelner Stücke erklärt werden kann. Über die Hufe wird Wohldurchdachtes ausgeführt, für die deutsche »Flächenhufe« im Gegensatz zur älteren »Anteilhufe« (zum Breitensystem) Ursprung vom Westen her angenommen (die 30 Morgenhufe ? eine Art Reichshufe); die Vermutung, daß die Ausbreitung der Hufenordnung mit Flurregulierungen verbunden gewesen sei, ist beachtlich. Als eine der wichtigsten Grundfragen, die bei der Siedlungsforschung oft nicht nach Gebühr beachtet worden ist, behandelt H. mit Recht das Problem der Feldsysteme, insbesondere das Aufkommen der Felderwirtschaften, mit sichtlicher Vertiefung in das Forschungsgebiet der Wirtschaftsformen. Zurückhaltender wird man gegenüber H.s verfassungsgeschichtlichen Thesen sein müssen. Immerhin, wie man sich auch dazu stellen mag, H.s Schrift regt zum Überprüfen geltender Meinungen an und wirkt, gerade weil sie nicht selten zum Widerspruch reizt, aufrüttelnd; und das ist ein nicht geringes Verdienst.In ganz anderer Weise geht W. Giere
einigen »Grundfragen der Siedlungsforschung« nach <
1772>, vornehmlich für die nordischen Länder um die Ostsee, mit
weitem Zurückgreifen in vorgeschichtliche Zeiten, aber auch nach Quellen einer jüngeren Vergangenheit.
Ausgehend von der Scheidung des Altlandes und Neulands, wie sie die »Urlandschaftsforschung« vornimmt,
behandelt er die Waldgeschichte, den Wandel der Arten des Waldes und seiner Verbreitung nach den natürlichen
Bedingungen und kraft menschlichen Eingreifens. Sehr lebendig schildert er nach später noch beobachtbarem Brauchtum
die wilde Feldgraswirtschaft (Brandkultur, Schwenden), das Pflügen mit dem »Hainpflug« und danach die
Umwandlung von Laubholzbeständen in »Buschland«. Vor Einführung der Winterstallfütterung und
dem Entstehen von Wiesen gab es nur Wandern der Feldstücke; die Anbauflächen waren gering, die Viehzucht stand
im Vordergrund. Eine Folge von Typen der Ackergestalt wird nun unterschieden und beschrieben: Hochäcker; lange
schmale Streifen des bestellbaren Feldes; rechteckige, der quadratischen Form sich annähernde Ackerstücke
(etwa je ein Morgen); endlich der altertümliche Typ des Ackerlands mit inselartig darin liegenden, bewachsenen
»Lesesteinhaufen«. Für diese Typen wird eine Bestimmung der Zeitalter versucht und im Anschluß
daran die Wirtschaftsweise
S.314 und ihr Wandel gekennzeichnet. Während es in der Stein- und Bronzezeit nur Feld und Weide gegeben hatte, gingen um 800, zur Zeit eines Klimaumschwungs, die Völker des Nordostens in einer ersten großen »Agrarrevolution« zur Winterstallfütterung, Vorratswirtschaft, Heugewinnung über; der Eichenmischwald wurde zu Laubhainen umgestaltet. Eine »Wirtschaftsform der Laubhaine« ward bräuchlich, bei deren Herstellung Rodungen mit Hilfe von Eisen vorgenommen wurden. In lehrreichen Ausführungen wird sie näher beschrieben, mit Eigenbesitz an den Hainen, mit Heimäckern und Heuschlag, Brandkulturflächen und Waldweide. Auch auf die Ackergeräte geht G. ein. Gleichzeitig mit dem Übergang zur Form der länglich schmalen Felder (in Jütland) wurde, nach älterem Gebrauch der »Ard«, der »Pflug« eingeführt; die Frage des Achtervorspanns wird als noch ungeklärt bezeichnet. Was die Siedelweise betrifft, so stellt G. den Sippenhof der Großfamilie an den Anfang, als die Urzelle; rasch entstehen neue Hofanlagen, oder aus Einzelhöfen gehen Weiler als Sippensiedlungen hervor. So bei slawischen Völkern, in Litauen, auch in Lettland und bei den Altpreußen. Bei den Germanen (in Mittelschweden, auf Gotland) finden sich auch haufendorfartige Siedlungen, die sich durch Ausbau aus Sippenhöfen entwickelt haben. Die vollberechtigten Bauern, die Odalbauern im odalby, haben bei den Hausplätzen nebst Viehställen ein Stück Daueracker und Dauerwiese; die übrigen Äcker und Weiden liegen außerhalb. Kleine und größere Äcker sind nebeneinander gelagert, nicht mit Gewannbildung. Die Einführung der Bolteilung wird etwa um 1000 nchr. Z. angesetzt, die sonnenrechte Teilung (solskifte) seit dem 13. Jh. Als eine deutsche Flurteilungs- und Vermessungsform sieht G. die Hufe an; ihre Einführung im Norden, mit der Dreifelderwirtschaft, bedeutet eine zweite große Agrarrevolution unter oberherrlicher Regelung, wie sie bei Franken und Sachsen schon in vorkarolingischer Zeit vorausgegangen war.Grundfragen einer unter weitgespanntem Horizont aufgefaßten Geschichte der deutschen Ostbewegung beleuchtet H.
Aubin in gehaltreichen Ausführungen, die, zuvor in einer Reihe von Aufsätzen niedergelegt
<1937, S. 346>, jetzt mit manchen Ergänzungen als selbständige Schrift erschienen sind. Die Forderung
richtet sich auf die vollinhaltliche Erfassung jenes großen geschichtlichen Vorgangs, von seinen frühesten
Anfängen bis zur Schwelle der Gegenwart, in dem gesamten Raum, der davon berührt worden ist. So wird auch die
Siedlungsgeschichte sehr wesentlich in die Betrachtung einbezogen; der Stand der Forschung wird treffend und umsichtig
gekennzeichnet und mancher wertvolle Wink für die Weiterführung der siedlungsgeschichtlichen Arbeit im Osten
gegeben. Als förderlich ist es zu begrüßen, daß einmal ein Vertreter der Bodenkunde, Erh.
Jung an der Landwirtschaftswissenschaftlichen Hochschule Hohenheim, das Wort zu Darlegungen über
die Wiederbesiedlung des Ostens ergriffen hat <
1775>, indem dabei auf die Auswirkung der Bodenverhältnisse unter
bodenkundlichen und agrartechnischen Gesichtspunkten näher eingegangen wird. Eine wichtige Ergänzung zu Aubins
umfassender Forschungsübersicht bietet ein gedanken- und kenntnisreicher Aufsatz Eg. Lendls
über die siedlungsgeographische Forschung in den südostdeutschen Volksinseln <
1776>. L. kennzeichnet die Landesnatur der verschiednen
Siedlungsräume sowie die geschichtliche Bewegung in den einander folgenden Siedlungszeitaltern bis auf die
Agrarreformen nach dem Weltkrieg. Sodann überblickt er den Gang der Forschung
S.315 seit den Anregungen C. Uhligs auf dem Breslauer Geographentag 1925, die von geographischer und bevölkerungspolitischer Betrachtung der »geschichtslosen« Sprachinseln zum Einbeziehen von Bevölkerungsstatistik und zu volkskundlicher Bestandsaufnahme, zu Untersuchungen aus dem Arbeitsgebiet der eigentlichen Sprachinselkunde und Siedlungsformenkunde, auch Flurnamenforschung fortgeschritten ist und sich mehr örtlichen Fragestellungen zuwendet. Dieser Überblick zeigt die schon gewonnenen Erkenntnisse besonders für die Sudetenländer, die Slowakei, Karpatenrußland, Ungarn, auch die Südostalpen, Rumänien und angrenzendes Balkangebiet. Auch auf die Durchdringung deutscher und fremder, benachbarter Wohnweise und Kultur wird hingewiesen und mit Recht betont, daß die klar und scharf umrissene Kleinlandschaft einer Sprachinsel manches Erscheinungsbild besonders deutlich hervortreten läßt und darum die Ergebnisse der Sprachinselforschung des Ostens wertvolle Aufschlüsse und Anregungen für die Siedlungsforschung im Mutterland bieten.Einen ganz neuen Weg der Siedlungsforschung von der Naturwissenschaft her aufzuzeigen, unternimmt W. Lorch (Neue Methoden der Siedlungsgeschichte, Geogr. Z. 1939, S. 294 ff.). Vorerst führt er Gedanken einer flächenhaft arbeitenden Siedlungslückenstatistik aus, in der Annahme, daß in Zeiten gesteigerter wirtschaftlicher Tätigkeit jeweils ein Gebiet ziemlich gleichmäßig besiedelt gewesen sein muß, mit unterschiedlicher Größe der Siedlungen je nach der Fruchtbarkeit des Bodens und Ertragsmöglichkeit; in Krisenzeiten gehen diejenigen Siedlungen ein, die auf wirtschaftliche Schwankungen empfindlich reagieren. Bestimmte Landschaftstypen weisen fast stets auch bestimmte Siedlungsverluste auf. Am wüstungsärmsten pflegen, so sagt L., Weiler- und Rundlingslandschaften zu sein; Waldgebiete haben hohen Siedlungsverlust, noch höheren die offenen fruchtbaren Gaulandschaften, am größten ist die »Wüstungsdichte« in den Kalkgebieten Deutschlands. Allerdings dürfen diese Beobachtungen keineswegs verallgemeinert werden! An bodenkundliche Untersuchungen in Schweden (Arrhenius, 1935) anknüpfend zeigt L. sodann die Möglichkeit, mit Hilfe der »Phosphatmethode« zu neuen Aufschlüssen in der Siedlungsgeschichte zu gelangen. Die Höhe des Phosphatgehalts im Boden hängt von der Dauer des Bestehens einer Siedlung und ihrem wirtschaftlichen Charakter ab. Es gilt also Bodenproben im Gelände methodisch zu sammeln und danach chemisch zu untersuchen; bei der siedlungsgeographischen Auswertung der Feststellungen ist es am wichtigsten, die Art der Nutzung des Bodens (Wohnbau, Feld, Weide usw.) zu beachten. So bieten sich neue Möglichkeiten, das Alter von Siedlungen zu ermitteln, ältere und jüngere Ortsteile, ehemalige Nutzungsformen, Wohn- und Fluchtburgen u. a. zu unterscheiden, auch Lage und Größe bekannter Wüstungen ausfindig zu machen, überhaupt ein »lückenloses Siedlungsspektrum« zu erkennen. Dem Siedlungshistoriker wird solche naturwissenschaftliche Hilfe, im Vergleich zu seinen eigenen Forschungsergebnissen, willkommen sein. |
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