IV. Ahnentafeln.Das aktuelle Thema des
Abstammungsnachweises von der geschichtlichen Seite her behandelt F. v. Klocke <
1859>, indem er unter Beibringung der ältesten urkundlichen Belege
die Entwicklung der Ahnenprobe im 13. und 14. Jh. darlegt. Veranlaßt durch eine Kritik an seinen dynastischen
Ahnentafeln macht E. Brandenburg <
1860> über seine Methode der Blutanalyse solcher Tafeln nähere
Ausführungen von grundsätzlicher Bedeutung, die wohl allgemeine Zustimmung finden werden. Eine Übersicht
über die Blutszusammensetzung der heutigen Regenten Europas und ihrer Gemahlinnen, wenn auch zunächst nur
gemäß ihrer Aszendenz innerhalb der letzten zwei Jahrhunderte, vermittelt das Ahnentafelwerk von W. K. Prinz
v. Isenburg <
1862>, das aber nicht nur diesen Zweck aufs beste erfüllt, sondern
auch durch Kenntlichmachung verwandtschaftlicher Zusammenhänge dem Verständnis der politischen Geschichte
dienen will. Aufschlußreich sind darin einige statistische Angaben: unter den Ahnen der 48 Probanden treten 151
Geschlechter mit 702 Einzelpersonen auf, die 1774mal vorkommen, unter ihnen am häufigsten die Häuser Wettin
und Hessen. Einer einzelnen Herrscherpersönlichkeit, nämlich dem König Friedrich Wilhelm I. von
Preußen, widmet C. Hinrichs <
1914> eine behutsam durchgeführte, aber doch recht ertragreiche
erbbiologische Untersuchung. Nach ihr tritt im inneren Wesen des Königs überwiegend das
pfälzisch-oranische Ahnenerbe hervor, das vor allem in seiner charakterlichen Ähnlichkeit mit seinem
Großmutterbruder Carl Ludwig von der Pfalz zu erkennen ist. Außerhalb des Bereichs regierender Häuser
steht die Ahnenforschung natürlich vielfach unter anderen Gesichtspunkten; hier ist sie zunächst mehr auf rein
genealogische Ermittlungen abgestellt. W. Rauschenberger <
1957>, auf dessen feinsinnige Betrachtungen zur Abstammung Schopenhauers
schon im vorigen Jahre hingewiesen wurde, legt dazu ein umfangreiches Tatsachenmaterial vor. Die Persönlichkeit des
schleswig-holsteinischen Politikers Uwe Jens Lornsen wird uns durch zwei -- wohl unabhängig voreinander
geschriebene -- Aufsätze von H. Krohn <
1937> und W. Jessen <
1938> nahegebracht. Es ist die bewegte
S.329 Welt und Umwelt nordfriesischer Seefahrer, die uns hier in selten zu findender Ausschließlichkeit und Eindringlichkeit vor Augen tritt. Auch W. Tröge < 1924> versteht es vorzüglich, seine Ermittlungen über die Herkunft des Kriegsphilosophen v. Clausewitz sinnvoll zur Darstellung zu bringen. Den Ahnen Rankes väterlicherseits, zumeist Theologen im sächsisch-thüringischen Gebiet, ging H. Etzrodt < 1950> nach, und ihnen konnte G. Kalch < 1951> noch eine Ahnengruppe von Leipziger Bürgerfamilien des 16. Jh.'s hinzufügen. Aus der nunmehr abgeschlossenen vierten Folge der »Ahnentafeln berühmter Deutscher« < 1863>, der J. Hohlfeld wieder einen Überblick über die Ergebnisse vorausschickt, seien noch die sehr umfänglichen Tafeln des Historikers Georg v. Below < 1919> und des Dichter-Genealogen Ludwig Finckh herausgegriffen, beide als lehrreiche Beispiele für die Zusammensetzung bestimmter Bevölkerungsgruppen, hier in breiter Ausdehnung des schwäbischen Bürger- und Bauernstandes, dort ebenso des nordostdeutschen Adels. Die Ahnentafel Hindenburgs ergänzte W. Thöne < 1932> über den Urgroßvater mütterlicherseits, Schwickart, hinaus, indem er dessen Vorfahren in der Landbevölkerung des Westerwaldes feststellte. Während es sich hier zunächst nur um einen verhältnismäßig geringen Einschlag des Blutes einer Schicht handelt, von der letztlich alle Stammreihen ihren Ausgang nehmen, zeigen die vom Reichsnährstand veröffentlichten Ahnenlisten der Bauernführer Karl Vetter < 1968> und Martin Wendt < 1971> einen durchaus bäuerlichen Aufbau, der dazu durch eine eng umgrenzte Ahnenheimat den denkbar höchsten Grad genealogischer Abgeschlossenheit erreicht. Die zu mehreren Hunderten ermittelten Ahnen entstammen bei Vetter ausschließlich der Landbevölkerung des südlichen Schwarzwaldes, bei Wendt ebenso der Einwohnerschaft einiger benachbarten Dörfer der Prignitz. |
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